WIRTSCHAFT
Die Oppositionsfraktionen glauben, die Wege aus der Krise zu kennen
Begleitet von immer dramatischer klingenden Wirtschaftsdaten haben die Fraktionen im Bundestag über den richtigen Weg aus der Krise gerungen. Für die FDP sind die Gründe, warum die Krise in Deutschland heftiger ausfällt als in den USA klar: "Stellen Sie sich vor", sagte FDP-Fraktionsvize Rainer Brüderle am 14. Mai an die Adresse der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD, "die 75 Milliarden Euro, die Sie bei der Mehrwertsteuererhöhung bei den Bürgern abkassiert haben, wären heute noch in den Händen der Bürger. Der Abschwung wäre dann halb so schlimm."
Jahrelang habe die FDP gefordert, für die mageren Jahre Vorsorge zu treffen und die Bürger durch eine große Steuerrreform zu entlasten. Stattdessen habe die Koalition den Bundeshaushalt von 260 auf 300 Milliarden Euro aufgebläht. "Besonders dreist" fand Brüderle, dass Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) vor Inflation warne. "Seine Schuldenpolitik ist der größte Inflationstreiber in Deutschland."
Laurenz Meyer (CDU) warf der FDP vor, immer wieder dieselben Forderungen aufzutischen und Bundestagsanträge aus Textbausteinen zusammenzusetzen. Aber einfache Antworten würden in dieser Krise nicht mehr helfen. Meyer verlangte klarere Rahmenbedingungen zum Beispiel für die Finanzwirtschaft. Dort sei das Versagen am größten gewesen und am meisten bei den staatlichen Banken. "Ich weiß überhaupt nicht, wie man auf die Idee kommen kann, einer Verstaatlichung dieser Systeme das Wort zu reden", kritisierte Meyer mit Blick auf die Linksfraktion. Für deren Rednerin Gesine Lötzsch liegen "die neoliberalen Glaubenssätze längst auf dem Müllhaufen der Geschichte". Die Bundesregierung pumpe Milliardenbeträge in marode Banken. Die Menschen müssten erleben, dass "nur eine kleine Gruppe von Politikern und Bankmanagern über die Vergabe von Milliarden entscheidet, ohne dass sie vom Bundestag wirksam kontrolliert werden könne". Sie wolle aber genau wissen, welche "toxischen Papiere" der Finanzminister aufkaufe und außerdem wissen "wie aus diesen toxischen Krediten in 10 oder 20 Jahren wieder jungfräuliche Kredite werden. Das ist Voodoo-Ökonomie", kritisierte Lötzsch. Ute Berg (SPD) bezeichnete den FDP-Vorstoß als "Schaufensterantrag". Dabei müsste es sich doch schon bis zur FDP herumgesprochen haben, dass aus einer großen Steuerreform nichts werde. Die Koalitionssfraktionen hätten in der aktuellen Krise "zügig und entschlossen" gehandelt. Zugleich wies Berg Meyers These zurück, dass der Staat mit seinen Banken zum größten Teil der Versager gewesen sei: "Dass die Krise von lupenreinen Privatbanken in den USA ausging, können Sie, Herr Meyer, wirklich nicht unter den Tisch kehren." Reinhard Schulz (SPD) warf der FDP vor, einerseits eine große Steuerreform und andererseits eine rigide Schuldenbremse zu fordern.
Thea Dückert (Bündnis 90/Die Grünen) erkannte bei Brüderle einen "akrobatischen intellektuellen Akt". Es sei erstaunlich, wie der FDP-Politiker die jüngste Steuerschätzung mit Milliarden-Ausfällen für die Staatskassen als Hinweis darauf interpretiere, dass weitere Steuersenkungen erforderlich seien. Dückert verlangte, nach dem Vorbild der USA oder Südkoreas in die ökologische Modernisierung zu investieren. "Dazu zählen die Bereiche Bildung, und erneuerbare Energien, Biolandwirtschaft, Gesundheit und Pflege." Damit könnten eine Million neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die FDP-Fraktion fordert in ihrem vom Bundestag an die Ausschüsse überwiesenen Antrag "Wachstumsprogramm zur Überwindung der Rezession" ( 16/12887), dass das Ziel der Haushaltskonsolidierung nicht aufgegeben werden dürfe.
Zur Konsolidierung gehörten neben einer wirksamen Schuldenbremse im Grundgesetz ein verbindlicher Schuldentilgungsplan, um die Belastung kommender Generationen nicht noch weiter ansteigen zu lassen. Viele der jetzt notwendigen Maßnahmen würden den Kreditbedarf des Staates und damit die Neuverschuldung erhöhen. "Bei Wiederanspringen der Konjunktur hat ein ausgeglichener Haushalt oberste Priorität", fordert die FDP-Fraktion in ihrem Antrag. Jetzt räche es sich, dass in den vergangenen Jahren mit guter Konjunktur die Verschuldung nicht abgebaut, sondern im Gegenteil weiter erhöht worden sei.
Gegenstand des Wachstumsprogramms muss nach Ansicht der FDP-Fraktion eine grundlegende Steuerreform "mit niedrigeren, einfacheren und gerechteren Steuern" sein. Außerdem müssten "die schlimmsten Auswirkungen der Unternehmensteuerreform" wieder beseitigt werden.
Ebenfalls an die Ausschüsse überwiesen wurde ein FDP-Antrag mit der Forderung an die Bundesregierung, ein Anti-Rezessionsprogramm mit einem Volumen von rund 26 Milliarden Euro vorzulegen ( 16/10867). Die Regierung solle die vom Bundesverfassungsgericht geforderte steuerliche Absetzbarkeit der Krankenkassenbeiträge bereits 2009 statt erst 2010 vollziehen, heißt es darin. Ein Gesetzentwurf der Linksfraktion ( 16/12888) auf Streichung des steuerlichen Progressionsvorbehalts beim Kurzarbeitergeld wurde ebenfalls an die Ausschüsse überwiesen. In dem Entwurf heißt es, das Kurzarbeitergeld selbst sei zwar nicht steuerpflichtig, unterliege aber dem Progressionsvorbehalt, der eine Erhöhung des persönlichen Steuersatzes bewirke und zu Mehrbelastungen der Arbeitnehmer führen könne.