Die Missachtung des Prinzips Verantwortung war eine wesentliche Ursache der Krise. Zu spät wurde erkannt, dass etliche Akteure auf den Märkten mit Werten handelten, für die sie nicht haften konnten. Eine ähnlich böse Überraschung könnte der Politik auf ihrem ureigenen Terrain blühen. Zwei Wahlperioden lang haben sich Föderalismuskommissionen mit Reformen an unseren bundesstaatlichen Strukturen abgemüht. Anfangs stiegen dafür sogar politische Schwergewichte wie Franz Müntefering und Edmund Stoiber in den Ring. In den Koalitionsvereinbarungen für die 17. Legislaturperiode kommt das Wort Föderalismus nicht einmal mehr vor. Die Helden sind müde, das Ergebnis ihrer Bemühungen ist ziemlich mager. Hier und da wurden Doppelzuständigkeiten von Bund und Ländern entmischt, aber eine Stärkung der Finanzautonomie der Länder, die den Kern jeder Staatlichkeit ausmacht, folgte nicht. Statt mehr Möglichkeiten der Einnahmegestaltung (und damit der Ausgabenverantwortung) erhielten sie weniger. Die Schuldenbremse, die das Werk krönte, nimmt den Ländern langfristig den letzten finanziellen Spielraum. Haushaltspolitisch ist dieser Konsolidierungszwang gewiss zu begrüßen. Der Zweck der Übung "Föderalismusreform" aber war die Wiederherstellung transparenter Strukturen. Es sollte wieder zum Vorschein kommen, welche Ebene für welche Entscheidungen verantwortlich ist. Ohne Finanzautonomie wird dieses Ziel verfehlt. Die meisten Bürger lässt das kalt. Die verspätete Nation, die so lange unter Kleinstaaterei gelitten hat, bevorzugt Einheitlichkeit und Gleichheit. Doch das Prinzip Verantwortung gilt auch in der Politik. Ein Fassadenföderalismus, in dem Landtage und Landesregierungen nicht für ihre eigenen Beschlüsse haften, kann zur Gefahr für die Demokratie selbst werden.