Wenn Berhard Fuhrmeister drei Mal klingelt, dann weiß er
meist: Dieser Weg war umsonst. Dann ist ein Sportler nicht da, wo
er nach Fuhrmeisters Informationen sein müsste. Dann kann
Fuhrmeister seinen Job nicht machen, sondern muss in seiner Liste
einen "no show" vermerken, was soviel heißt wie "nicht
angetroffen".
Bernhard Fuhrmeister ist einer von rund 70 so genannten
Dopingkontrollbeauftragten in Deutschland. Im Auftrag der
Nationalen Anti Doping Agentur (Nada) stattet er für das
Testlabor PWC Leistungs-, Amateur- und Nachwuchssportlern
unangekündigte Besuche ab, um per Urinprobe den Sportler auf
verbotene Substanzen zu testen.
Wenn Fuhrmeister oder einer seiner Kollegen beispielsweise vor
verschlossenen Türen, an einem menschenleeren Sportplatz oder
einem verwaisten Trainingszentrum steht, kann das zwei Gründe
haben: Entweder sind die Informationen über den derzeitigen
Aufenthaltsort eines Sportlers falsch, weil beispielsweise
veraltet, oder ein Sportler ist vorsätzlich nicht an dem Ort,
an dem er eigentlich sein sollte, um sich unangekündigten
Trainingskontrollen zu entziehen. Dass Fuhrmeister und seine
Kollegen Sportler nicht gleich auf Anhieb dort finden, wo sie sie
erwarten, ist nicht ungewöhnlich. Doch meistens gibt es
für diese Fälle mehr oder minder einfache
Begründungen - kurzfristige Arztbesuche, verpasste Flugzeuge,
Hallentraining wegen schlechten Wetters oder ähnliches.
Die Dopingtests können häufig noch am gleichen Tag
an einem anderen Ort oder an einem der folgenden Tage
durchgeführt werden. Im vergangenen Jahr hat es nach aktuellen
Angaben der Nada aber 201 Fälle gegeben, in denen die
Erklärungen für das Nichtantreffen eines Sportlers
unzulänglich, fehlerhaft oder falsch waren. Diese Fälle,
bei denen man nicht mehr von einem "no show", sondern vom einem
"missed test" spricht, hätte die Nada an die jeweilig
zuständigen Spitzenverbände der Sportart melden
müssen. Das hat sie nicht getan. Sanktionen von
öffentlicher Verwarnung bis hin zu Sperren waren damit nicht
möglich, denn die können nur von den Verbänden nicht
aber von der Nada ausgesprochen werden.
Nicht effizient Aufgedeckt haben diese gravierende Lücke
im Dopingkontroll- und Sanktionssystem zwei Sportjournalisten der
ARD. In ihrem Beitrag "Mission: Sauberer Sport" behaupteten sie,
deutsche Athleten seien 2006 gar in mindestens 400 Fällen
nicht angetroffen worden. Die von der ARD-Reportage bewirkte
Debatte über die Effizienz des deutschen Kontrollsystems -
Mitte Januar hatte sogar der Generaldirektor der
Weltantidopingagentur Wada geschimpft: "Die Arbeitsweise der Nada
genügt nicht den Ansprüchen höchster Qualität.
Die Nada muss ihre Praxis verbessern." - erreichte am 31. Januar
auch den Deutschen Bundestag. In einer kurzfristig angesetzten
öffentlichen Anhörung diskutierte und informierte sich
der Sportausschuss über die Kontrollpraxis der Nada.
Außerdem schilderten die Spitzenverbände Deutscher
Olympischer Sportbund (DOSB) und Deutscher Leichtathletik Verband
(DLV) und die Athleten ihre Sicht der Dinge. Einhellige und
unumstrittene Erkenntnis: Der Kampf gegen Doping muss verbessert
und effektiver werden. Doch wie meistens in der Politik ist der Weg
dorthin umstritten.
Obwohl Michael Vesper, Generaldirektor des DOSB, "sehr besorgt
über die Berichte" ist, glaubt er grundsätzlich an das
Kontrollsystem: "Wir sind der Auffassung, dass das System
funktioniert." Verbessert werden muss aus Sicht des DOSB aber die
Informationspolitik der Nada - sowohl zu den Verbänden als
auch zu den Athleten. Clemens Prokop, Präsident des DLV, hat
dagegen grundsätzliche Bedenken. "Wir haben erhebliche
Zweifel, ob das System zukunftsfähig ist", sagte er vor den
Abgeordneten im Sportausschuss. Da Blut-Doping bisher
überhaupt nicht erfasst werde, die Kontrolldichte niedrig und
das Nachweisfenster für viele verbotene Substanzen sehr kurz
sei, stelle sich generell die Existenzfrage des Sys-tems, sagte
Prokop.
Einheitliche Regeln Wie verwirrend das Ab-, An- und
Ummeldesystem in der Internet gestützten Datenbank der Nada
für die Athleten ist, zeigt das Beispiel der beiden
Athletenvertreterinnen Claudia Bokel, Degenfechterin, und Marion
Rodewald, Hockeynationalspielerin. Während Fechterin Bokel
sich für die Anhörung im Bundestag via Internet
umgemeldet hatte, da sie am Mittwoch nicht wie gewöhnlich am
Trainingsort, sondern in Berlin weilte, war Rodewald
überzeugt, dies sei nicht nötig, da sie nicht länger
als 24 Stunden nicht am bei der Nada angegebenen Ort war.
Damit waren sich selbst die höchsten deutschen
Athletenvertreterinnen nicht im Klaren darüber, wann bei der
Nada Meldung über den Aufenhaltsort gemacht werden. Neben mehr
Kontrollen forderten sie auch mehr Abmeldemöglichkeiten: "Wenn
man Sportler besser erreichen möchte, muss der Sportler mehr
Möglichkeiten haben, seine Erreichbarkeit ändern zu
können", sagte Bokel und schlug die Abmeldung per SMS vor.
Auch die Abgeordneten bekräftigten, der Kampf gegen Doping
müsse effektiver werden, warnten aber vor zu starken
Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte der Athleten
und dem so genannten "gläsernen Athleten".
Die Anhörung ist im Internet abrufbar:
www.bundestag.de//live/tv/vod/auss16.html
Fakten
- Gesetzentwurf Am 1. Februar hat der Bundestag einen Entwurf zum
Zusatzprotokoll zum Übereinkommen gegen Doping (
16/4012 ) beraten und an den Sportausschuss
überwiesen.
- Antrag Ebenfalls zur Beratung an den Sportausschuss
überwiesen hat der Bundestag einen Antrag der Grünen (
16/4166 ) zur Bekämpfung von Doping.
- Anti-Doping-Gesetz Die Regierungskoalition hat sich darauf
verständigt, künftig den Besitz von Dopingmitteln unter
Strafe zu stellen. Die Änderung des Arzneimittelgesetzes soll
zum 1. Juli 2007, spätestens Anfang 2008 in Kraft treten.