Die Zeiten, in denen Frauen in Führungspositionen des öffentlichen Dienstes mit der Lupe gesucht werden mussten, sind vorbei. In der Verwaltung des Bundestages liegt ihr Anteil im höheren Dienst mittlerweile bei immerhin fast 40 Prozent. Das sei beachtlich, doch noch nicht so hoch wie gewünscht, meint Andrea Kruse. Sie ist Gleichstellungsbeaufragte der Bundestagsverwaltung und täglich damit befasst, die Arbeits- und Aufstiegsbedingungen von Frauen zu verbessern und Männern wie Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern.
Der Gesetzgeber hat eine klare Vorgabe gemacht: 50 Prozent der Positionen in den einzelnen Bereichen sollen mit Frauen besetzt werden, so heißt es im Gleichstellungsgesetz des Bundes von Dezember 2001. Darin wurde auch "Frauenförderung" durch die umfassendere "Gleichstellung" ersetzt - um deutlich zu machen, dass dies für beide Geschlechter gilt. In Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, sollen sie bei Bewerbungen und Beförderungen bei gleicher Eignung bevorzugt werden. Das gilt nicht nur für Führungspositionen, sondern auch für einst klassische Männerdomänen wie Technik, Boten- und Fahrdienste oder die Polizei des Bundestages. Eine von Kruses zahlreichen Aufgaben ist es, als Beteiligte an den Auswahlverfahren darauf zu achten, dass diese Vorgabe auch umgesetzt wird - sozusagen als Wächterin der Gleichstellung. "Ich muss an jeder personellen und organisatorischen Maßnahme beteiligt werden", sagt sie. Entsprechend vielfältig sei ihre Arbeit. "Ich bekomme viel mit." Seit über eineinhalb Jahren übt die Diplom-Verwaltungswirtin ihr Wahlamt nun aus. Für diese neue Herausforderung lässt sie ihre Stelle als Sachbearbeiterin im Personalreferat ruhen.
Frauenförderung ist besonders auf den oberen Hierarchieebenen nötig. Da unterscheidet sich der Bund nicht von der freien Wirtschaft. Im gehobenen und mittleren Dienst ist dagegen deutlich mehr als die Hälfte der Mitarbeiter weiblich. "Das liegt vor allem daran, dass auf diesen Ebenen viele Sekretärinnen und Sachbearbeiterinnen arbeiten", erklärt Kruse. Je höher es die Karriereleiter hinaufgehe, desto dünner werde jedoch die Luft. Nur drei von 13 Unterabteilungen werden von Frauen geleitet, auf Referatsebene sieht es zwar besser aus, "aber von 50 Prozent sind wir noch weit entfernt", so die Gleichstellungsbeauftragte. Wie weit genau, das wird ein Zwischenbericht im Juli ergeben. Er bewertet die bereits erzielten Fortschritte des Gleichstellungsplans vom Juli 2006.
Nicht nur die Statistik, auch das Klima für das Thema Gleichstellung hat sich geändert. Abfällige Bemerkungen, wie sie Frauenbeauftragte der 80er- und 90er-Jahre noch zu hören bekamen, kennt die Gleichstellungsbeauftragte aus ihrem Berufsalltag nicht. "Die meisten sind sehr kooperativ", sagt sie, "auch Männer sind an Frauenförderung interessiert." Einige stellen sich als Mentoren zur Verfügung. Derzeit läuft das fünfte Mentoringprojekt, zum ersten Mal sind auch Männer als Mentees dabei: 14 Teams aus Nachwüchslern und erfahrenen Kolleginnen und Kollegen treffen sich regelmäßig zum Erfahrungsaustausch, von dem, wie alle betonen, beide Seite profitieren. Eigentlich ist dieses Projekt auf neun Monate angelegt, "aber häufig reißt die Verbindung dann nicht ab", erzählt Kruse.
Viele Bereiche ihrer Arbeit betreffen die oft hartnäckigen Strukturen in der Verwaltung: Da geht es etwa darum, Referatsleitungen zu teilen, um auch berufstätigen Müttern oder Vätern, die nicht Vollzeit arbeiten möchten, eine Führungsaufgabe zu ermöglichen. Früher war dies eine rare Ausnahme, mittlerweile teilen sich in vier Referaten jeweils zwei Frauen die Leitung. "Unter den männlichen Mitarbeitern wächst das Interesse, die Arbeitszeit zu reduzieren oder in Elternzeit zu gehen", sagt Andrea Kruse. "Das Elterngeld ist da seit Anfang des Jahres für viele sicher ein zusätzlicher Anreiz", vermutet sie. Telezeitmodelle, Sabbatjahre und Arbeitskonten sind weitere Wege, um Privatleben und Karriere unter einen Hut zu bringen. Andrea Kruses Elan für die Gleichstellung ist jedenfalls ungebrochen. "Mir macht meine Arbeit viel Freude", sagt sie. "Und wir sind noch lange nicht am Ziel."