Gesellschaft
Günter Ogger sieht die Republik aus dem Takt geraten. Der Grund: Der Verlust des festen Arbeitsplatzes
Wer mit der Lektüre der "Abgestellten" beginnt, sollte sich vorher den Untertitel einprägen. Der Leser ist geneigt, ständig nach Auswegen oder Lösungsvorschlägen zu suchen - allein es gibt sie nicht, zumindest nicht in der Breite, wie man es erwartet. Dieses Buch will auch keine Lösungen präsentieren, ist es doch ein "Nachruf auf den festen Arbeitsplatz". Diesen, so diagnostiziert der Publizist Günter Ogger, wird es in naher Zukunft nicht mehr geben. Den festen Arbeitsplatz haben bisher noch 18 Millionen Menschen in Deutschland, diese arbeiten in einem Angestelltenverhältnis, Ogger schreibt sie dem Mittelstand zu. Dieser Mittelstand habe Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zu Wohlstand verholfen und werde nun für seinen Eifer bestraft.
Die Angestellten sind aber nicht die zu Mitarbeitern degradierten Angestellten des öffentlichen Dienstes, die schon seit einigen Jahren auf Privilegien verzichten müssen und in diesen Tagen wieder um eine Lohnerhöhung kämpfen wollen. Wen Ogger mit den Angestellten meint, weiß er selber nicht so richtig, er verordnet sie nur im Mittelstand. Sie sitzen meistens in Büros, haben ein sicheres Einkommen und genießen Privilegien wie etwa den Schutz vor willkürlicher Kündigung, das Recht auf tariflicher Bezahlung oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Den Aufstieg verdanken die Angestellten der Arbeitsteilung in Folge der Industrialisierung. Zu dieser Zeit entstand eine Schicht, die als Privatbeamte bezeichnet wurde und deren Mitglieder besser ausgebildet waren als andere. In der Folge bekamen diese Privatbeamten laut Ogger immer mehr Einflussmöglichkeiten, so dass sie sich zu unersetzbaren Personen entwi-ckelten, die Kompetenzen über Betriebsabläufe und Buchhaltung allein bei sich verorten konnten. All diese Privilegien werden nun in Frage gestellt.
Was ist geschehen? Die Globalisierung, von Kapitalgesellschaften geführte Unternehmen, die zunehmende Lohn- und Arbeitskonkurrenz aus Asien sowie die Unbeweglichkeit der Angestellten tragen laut Ogger dazu bei, dass die Angestellten zu Abgestellten werden. Schuld daran seien die Angestellten zwar nicht direkt, aber irgendwie doch: "Deutschlands Angestellte", so schreibt Ogger, "sind nicht verantwortlich für die Probleme der Globalisierung, und dennoch sind sie das Problem. Ihr Beharrungsvermögen und ihre Abneigung gegenüber Risiken erschwert die notwendigen Reformen des Arbeitsmarktes." Folge seien Landflucht, Rationalisierung, Optimierung der Arbeitsprozesse, Verteilung der Arbeit von vielen auf einige. Schuld seien auch die großen Lohnsprünge und die Macht der Gewerkschaften in den 70er-Jahren. All das habe zu einem starren Denken geführt, das sich nun bitter räche. Dazu gesellen sich die schon in einem seiner früheren Bücher als "Nieten in Nadelstreifen" gegeißelten Manager, die - im Gegensatz zu Familienunternehmern - zu ihrer Belegschaft keine Verbindung mehr hätten und diese nur noch als Kostenfaktor sähen.
Die Folgen malt Günter Ogger zwar dramatisch, aber durchaus realistisch aus: Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten werde wie die Zahl der Minijobber zunehmen. Jede Stelle werde zur Disposition gestellt, die Qualität der Arbeit werde sich zunehmend verschlechtern und in jener Form, wie wir sie heute kennen, nicht mehr existieren. Die Flexibilitätserwartungen gegenüber den Angestellten gepaart mit deren ständiger Angst vor dem Verlust des sozialen Status und des Arbeitsplatzes führe zu einem Kampf aller gegen alle.
Ogger hat Zahlen zusammengetragen, sie mit Analysen und Anekdoten angereichert und bis zu einem gewissen Grad auch nachvollziehbare Thesen aufgestellt. Allerdings drängt sich der Verdacht auf, dass man es weniger mit einem auf Analyse bedachten Buch zu tun hat, sondern um Selbstdarstellung. Es ist ein Pamphlet sowohl gegen die Manager als auch gegen die Angestellten, und es stellt sich die Frage, wozu man auf 280 Seiten lesen soll, was auf den ersten Seiten schon zusammengefasst ist. Wozu dann noch die Fantastereien, dass die "Republik aus dem Takt geriete", gar wieder der "Furor Teutonicus" hochkoche. Dieses Bild ist dann doch zu schwarz gemalt und entspricht auch nicht den komplexen Anforderungen der Moderne, um die Ogger ja auch weiß. Bisweilen verfällt er in seinen Beschreibungen auf das Sprachniveau eines Boulevardblattes, Generalisierungen und Stereotypen gesellen sich dazu.
Auf den letzten Seiten Buches konfrontiert Ogger seine Leser dann noch mit einer Berufsgruppe, die ihm besonders am Herzen zu liegen scheint - den Selbstständigen. Diese Selbständigen seien die Angestellten von gestern. Weil die nicht zur Revolution bereit seien, bleibe ihnen nur der Ausweg in die Selbständigkeit. Dieser Weg stellt aber, so Ogger, eine Gefahr dar, da ohne die Angestellten das Land unterzugehen droht. Deshalb sollten sich die Angestellten zusammenschließen und sich gegen den Abbau des festen Arbeitsplatzes zur Wehr setzen.
Die Abgestellten. Ein Nachruf auf den festen Arbeitsplatz.
C. Bertelsmann, München 2007; 288 S., 19,95 ¤