SCHNELLE EINGREIFTRUPPE I
Minenräumen bei der Landeübung auf den Kapverden
Es ist eine Nacht wie im Piratenfilm. Wolken hängen über der aufgewühlten See. Brecher jagen über das Deck. Tapfer kämpft sich das kleine Schiff durch das wütende Wasser der Biscaya, etliche Seemeilen vor der Küste Frankreichs. Der Rumpf der Nussschale besteht aus Holz. "Die Magnetfelder von Metallteilen könnten Minen auslösen", sagt Kapitänleutnant Tobias Voß mit bayerischem Akzent. Die "Passau" gehört zur SNMCMG 1. Hinter der Abkürzung verbirgt sich die "Standing Nato Mine Countermeasure Group 1". Die Boote kommen aus Deutschland, Belgien, Dänemark, Großbritannien, den Niederlanden, Norwegen.
Die Minenabwehr-Gruppe ist einer der vier ständigen maritimen Einsatzverbände der Nato Response Force (NRF, Schnelle Eingreiftruppe). Sie operiert normalerweise in Ost- und Nordsee und beseitigt dort die Hinterlassenschaften zweier Weltkriege. Besonders in der östlichen Ostsee sind immer noch viele Minenfelder, die eine große Gefahr für die zivile Schifffahrt darstellen.
Mit der Nato-Flagge am Mast legt die Gruppe im Jahr fast 20.000 Seemeilen zurück und nimmt vom Mittelmeer bis zur Norwegischen See an fast allen Nato-Manövern teil. Jetzt sollen die Schiffe im Atlantischen Ozean vor den Kapverdischen Inseln im NRF-Manöver "Steadfast Jaguar" (Standhafter Jaguar) ihre Einsatzfähigkeit unter Beweis stellen. 7.800 Soldaten aus 25 Nationen beteiligen sich an dem Manöver.
Im Marinestützpunkt Rota in Südspanien wird ein Zwischenstopp eingelegt: Der deutsche Fregattenkapitän Andreas Stricker, Kommandeur der SNMCMG 1, hat eine Lagebesprechung an Bord des Tenders "Rhein" anberaumt, dem derzeitigen Flaggschiff der SNMCMG 1. Vor Kurzem hat Stricker seinen niederländischen Vorgänger abgelöst. Das wirklich Beständige an dieser "Standing Group" ist der Wandel. Boote werden abgezogen, neue kommen hinzu, mit neuem Personal anderer Nationalität. Polen, Esten, Letten, Litauer. Gemeinsame Sprache ist Englisch. Nicht vorhanden im Wortschatz ist die Vokabel "order" - Befehl. Stattdessen: "request" und "asking for". Man ersucht und bittet.
Nur die Aufgaben des Verbandes bleiben gleich: Minen räumen. Quasi im Vorbeifahren werden vor der niederländischen Küste ein halbes Dutzend Minen gesprengt. Minen sprengen - das hört sich einfach an, erfordert aber Spezialisten, von denen selbst große Seefahrernationen nicht allzu viele haben.
Heute kommen nur noch in den seltensten Fällen Taucher zum Einsatz, die in der Nähe einer Mine eine Sprengladung absetzen und aus sicherer Entfernung zünden. Neue Techniken haben den Marine-Streitkräften Miniatur-U-Boote beschert, die eine Sprengladung in der Nähe der Mine absetzen und fernzünden. Es gibt auch Mini-U-Boote, die in der Nähe einer Mine explodieren und diese damit auch zur Explosion bringen. Damit ist die Gefahr beseitigt.
Das erfolgreiche Sprengen der Minen ist genauso Thema der Lagebesprechung bei Fregattenkapitän Stricker wie die beste Route zu den Kapverdischen Inseln. Die Inselgruppe war bis 1975 portugiesische Kolonie und ist heute ein selbstständiger Staat. Obwohl kein Nato-Mitglied und auch kein Beitrittskandidat, hat die Regierung der Kapverden der Nato die Landeübung gestattet.
Stricker spricht mit leiser Stimme, setzt sich aber durch. "Je leiser er wird, desto ernster ist die Lage", weiß Per Arne Bakkeli mit dem rotblonden Wikingerkopf. Der norwegische Korvettenkapitän ist der PSO, Principal Staff Officer, zu Deutsch: Stabschef. Weiter geht es Richtung Teneriffa. Aus den Luken der belgischen "Crocus" quillt Rauch. Der "Standhafte Jaguar" hat es in sich: Man ist noch nicht am Ziel, und schon gibt es eine Feuerlöschübung. Besatzungsmitglieder in Schutzanzügen schleppen Schläuche heran. Flämische und französische Kommandos erschallen. Die Übung ist erfolgreich, die Offiziere sind zufrieden.
Nach mehrwöchiger Fahrt ist das Einsatzgebiet erreicht. Reibungslos verlaufen die Operationen zu Wasser, zu Land und in der Luft gegen ein imaginäres Terrorcamp, das sich auf einer der Inseln befinden soll. Die Minenabwehr-Gruppe erledigt ihre Aufgaben schnell und präzise. Den Landungseinheiten wird der Weg zur Küste frei geräumt.
Unerwartet reagiert jedoch die höchst reale Bevölkerung. Die Infrastruktur der Inseln hält dem Ansturm der Nato-Soldaten nicht Stand: In Teilen des Landes wird das Trinkwasser knapp und Strom- und Telefonnetze brechen zusammen.