Afghanistan
Eine harrsche Kritik an der Politik des Westens
Michael Clasen schreibt schon auf den ersten Seiten Klartext: Nur ein mit großer Geschlossenheit, bedingungsloser Härte und Geduld geführter Kampf kann den Terrorismus erfolgreich besiegen. Dazu braucht es nach Meinung des Autors in Afghanistan eine erhebliche Aufstockung des westlichen Truppenkontingents und ein Vielfaches an Feuerkraft, um die Taliban zu bekämpfen. An zahlreichen Beispielen versucht er zu belegen, dass eine islamistische Ideologie auf dem Vormarsch sei, bei dem "Gotteskrieger" die Weltherrschaft anstreben. Und es seien vor allem die Muslime, die ihnen zum Opfer fielen. Eine tiefe Kluft in der Europäischen Union und der Nato, so die These des Autors, erleichtere es den wieder erstarkten Taliban, immer weiter vorzudringen und neue Terrornester einzurichten.
"Denkt man in dem von Terror und Fanatismus gebeutelten Bagdad und Kabul an Deutschland und Europa, so stellt sich die Frage: Was ist gefährlicher - die weltweite Erhebung des islamischen Fundamentalismus oder die wachsende Fraktion der Europäer, die Freunde für Feinde und Feinde für Dialogpartner halten?" Für Michael Clasen liegt die Antwort auf seine Frage offensichtlich auf der Hand. Er steht fest an der Seite von Politikern wie Peter Struck, der meinte, die Freiheit Deutschlands werde am Hindukusch verteidigt. Und er teilt die Auffassung eines deutschen Ex-Generals, die Deutschen konsumierten die Sicherheit, die die Amerikaner mit ihrem Machtanspruch garantierten. Diesen demonstriert die Weltmacht neuerdings mit einer erheblichen Truppenaufstockung um 24.000 Mann auf dann 58.000. Mit diesem bei Drucklegung des Buches "Der Fluch das langen Krieges" noch nicht bekannten Strategiewechsel in Afghanistan, den US-Präsident Barack Obama nach Amtsantritt noch verstärken dürfte, wird sich der Islamkenner Clasen bestätigt sehen. Es ist aber noch lange nicht ausgemacht, ob es auch die richtige, weil auf Dauer zum Erfolg führende Strategie ist.
Überreaktionen sind nicht selten die Folge von Fehleinschätzungen. Wenn die USA den islamistischen Feind jetzt dort attackieren, wo er sich versteckt, dann hatten sie zuvor die aufkeimende Bedrohung durch die schleichende Re-Islamisierung in den 1980er und und 1990er Jahren sträflich unterschätzt. Der Aufstieg der Taliban war nur möglich, weil sich die Amerikaner nach dem Abzug der Sowjets aus Afghanistan zurückgehalten hatten. Sogar an der Aufstellung der Taliban-Horden des Mullah Omar waren amerikanische Geheimagenten beteiligt - was viele Islamexperten aus dem Gedächtnis getilgt haben. Diesen Fehler wollen die USA nicht noch einmal machen und engagieren sich weit vor anderen Nationen im Kampf gegen den Terror.
Hier setzt der Autor mit seiner scharfen Kritik an den Deutschen an, die sich im vergleichsweise ruhigen Norden Afghanistans verschanzten und gerade genügend Truppen hätten, "um langsam zu verlieren". Ein Minimum an Soldaten aber führe dazu, dass nach einigen Vorstößen die Aufständischen wieder einsickerten, weil Stellungen nicht gehalten werden könnten. Das bedeute aber auch, so Clasen, dass Wiederaufbau und Entwicklung des Landes nicht möglich sei. Inzwischen seien ganze Landstriche im Süden und Osten den Talibankämpfern aus dem pakistanischen Grenzgebiet schutzlos überlassen. Wenn vor allem die europäische Politik beim Wiederaufbau in sechs Jahren nur äußerst dürftige Ergebnisse produziere, dann fehle Afghanistan weiter das Fundament, auf dem sich ein Staat entwickeln könne. Mit der Bundesregierung geht Clasen, der immer wieder die Krisengebiete im Nahen und Mittleren Osten bereist hat, besonders hart ins Gericht. Er spricht von Verirrungen des politischen Koordinatensystems und der Lust an der Kapitulation vor dem islami-schen Fundamentalismus.
Der Autor - und das ist ein Manko dieses Buches - geht nicht auf die historischen Beweggründe ein, die Deutschland aus gutem Grund bei internationalen Kampfeinsätzen in die zweite Reihe treten lassen. Dass die Bundesregierung die muslimischen Reformkräfte vor allem in Afghanistan im Stich lasse, versucht Clasen zwar anhand zahlreicher Fakten zu beweisen, doch ist dieser Vorwurf ebenso ungerecht wie der der Feigheit.
Nach zehnjähriger Okkupation durch 130.000 Soldaten mit einem Aufgebot von Tausenden von Panzern waren die Sowjets dennoch der Zermürbungstaktik der Mudschahedin erlegen. Dies zieht der Autor ebenso wenig ins Kalkül wie die Tatsache, dass auch eine ständige Truppenvermehrung mit haushoher technischer Überlegenheit noch lange nicht zum erhofften Ziel führen muss. Das noch nicht überwundene Vietnam-Trauma hätte die USA davon überzeugen müssen, dass Demokratisierung und der Aufbau einer Zivilgesellschaft nicht nur mit Waffengewalt zu erreichen sind.
Bis zum vergangenen Jahr wurden in Afghanistan rund 82 Milliarden Dollar für den Krieg ausgegeben, aber nur 7,3 Milliarden für den Wiederaufbau. Diese Schieflage macht das ganze Dilemma deutlich, in dem das Land steckt. Was meint der Autor, dem Westen bleibe keine Alternative, als den Krieg gegen den Terrorismus im hintersten Winkel Zentralasiens erfolgreich zu beenden? Die Geduld, die Clasen einfordert, mag berechtigt sein; aber noch mehr Geduld braucht es, um eine wirklich repräsentative Regierung in Kabul zu bilden und eine Art Marshall-Plan für den zivilen Aufbau aufzulegen.
Der Fluch des langen Krieges. Wie Osama bin Laden den Westen zu besiegen droht.
wjs Verlag, Berlin 2008; 279 S., 18 ¤