RAf-Opfer
Michael Buback hält die Ermordung seines Vaters Siegfried für weiterhin ungeklärt
Vor 30 Jahren hat Michael Buback seinen Vater verloren. Wer ihn ihm genommen hat, weiß er bis heute nicht genau: Das Attentat auf den Generalbundesanwalt Siegfried Buback, bei dem auch zwei seiner Mitarbeiter starben, wurde nie vollständig aufgeklärt. Auch wenn für den Anschlag vom 7. April 1977 vier Terroristen der "Rote-Armee-Fraktion" (RAF) verurteilt wurden, wissen bis heute nur die Täter, wer die tödlichen Schüsse wirklich abgegeben hat.
Michael Buback ist bis heute nicht darüber hinweggekommen, dass seine Familie keine Klarheit über die genauen Umstände der Tat hat. Es ist verständlich, dass der Göttinger Physiker jede Spur verfolgt, die Aufklärung verspricht. Über seine Suche nach der Wahrheit hat Buback nun ein Buch vorgelegt. Er beschreibt darin, wie er im März 2007 einen Anruf des ehemaligen RAF-Terroristen Peter-Jürgen Boock erhielt. Der habe ihm mitgeteilt, dass nicht Christian Klar und Knut Folkerts das Attentat verübt hätten, sondern Günter Sonnenberg und Stefan Wisniewski und wiederholt dies auch in verschiedenen Interviews. Es folgte eine Renaissance der RAF-Thematik: Parallel zur Debatte um eine mögliche Begnadigung von Christian Klar wurde in vielen Zeitungsartikeln und Talkshows auch der Mord an Siegfried Buback diskutiert. Dessen Sohn begann damit, auf eigene Faust zu ermitteln.
In seinem Buch "Der zweite Tod meines Vaters" erzählt er, wie er diese Monate empfunden hat - und wie er nach und nach zu schockierenden Ergebnissen gelangt sei. Bubacks Fazit stellt in der Tat vieles bislang sicher Geglaubtes in Frage: Der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts ist davon überzeugt, dass weder Christian Klar noch Stefan Wisniewski seinen Vater getötet haben, sondern die Terroristin Verena Becker, die allerdings nicht wegen dieses Mordes, sondern wegen ihrer Verstrickung in die Entführung und Ermordung Hanns-Martin Schleyers im Dezember 1977 zu lebenslanger Haft verurteilt und im November 1989 begnadigt wurde.
Schlampige oder bewusst nachlässige Ermittlungen hätten, so Buback, dazu geführt, dass sie für dieses Verbrechen nicht belangt worden sei. Auch eine Begründung dafür will Buback gefunden haben: "Es gab einen Schutz für RAF-Täter": Es gebe für ihn und seine Familie "keinen vernünftigen Zweifel mehr daran, dass es bereits unmittelbar nach der Tat, wenn nicht sogar schon davor, eine Deckung für Verena Becker" und ein "Zusammenwirken von Generalbundesanwalt und Geheimdiensten" gegeben habe.
Vieles, was Buback aufwirft, bedarf der Klärung. Warum wurden viele Spuren, die auf Verena Becker deuteten, nicht verfolgt? Dennoch ist sein Buch kein gutes - und Michael Buback hat sich damit keinen Gefallen getan. Gebetsmühlenartig wiederholt er, was ihn zu Zweifeln an der bisherigen Tatversion bringt und mutmaßt ein ums andere Mal über die Beweggründe der Ermittler, die mögliche Täterin zu schützen. Bubacks "Beweisführung" ist nach der öffentlichen Diskussion der vergangenen zwei Jahre weder erhellend noch neu. Er reitet in seiner verständlichen Frustration darüber, noch immer nicht zu wissen, wer seinen Vater ermordet hat, heftige Attacken gegen die Bundesanwaltschaft und die damaligen Ermittler, wischt die unausweichliche Kritik an seinen Schlussfolgerungen aber als unfair und unangemessen vom Tisch.
Aus gutem Grund sollen Opfer nicht selbst ermitteln - nicht, weil ihr Schmerz nicht wichtig wäre, sondern weil er ihnen Objektivität unmöglich macht. Das ist auch in diesem Fall so: Das eigentlich Empörende am nach wie vor ungeklärten Mord an Siegfried Buback sind weniger die Ermittlungsfehler, die sein Sohn beschreibt. Es ist das, was er nicht thematisiert: Dass die Täter nach 30 Jahren noch immer schweigen - und es Menschen wie Michael Buback zumuten, in ihrer verzweifelten Suche nach der Wahrheit Alleingänge zu unternehmen, die sie letztlich selbst beschädigen.
Der zweite Tod meines Vaters.
Droemer Verlag, München 2008; 362 S., 19,95 ¤