SPRACHENPOLITIK
EU-Mehrsprachigkeitskommissar Orban im Europaausschuss
Deutschland ist nach wie vor unzufrieden mit der Sprachen- und Übersetzungspolitik der EU. Dies wurde in der Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union am 12. Februar deutlich, an der auch der EU-Kommissar für Mehrsprachigkeit, Leonard Orban, teilnahm.
Die Abgeordneten wiesen den Kommissar darauf hin, dass von den Ausschüssen des Bundestages inzwischen 60 Dokumente zurückgestellt worden seien, da man über diese mangels Übersetzung noch nicht beraten könne. "Wenn wir in Berlin nicht beraten können, kann Deutschland zu den entsprechenden Themen in Brüssel auch keine Meinung äußern. Und das geht zu Lasten der EU", gab Ausschussvorsitzender Gunther Krichbaum (CDU) zu bedenken.
Der Eindruck auf deutscher Seite, dass weniger Dokumente als früher ins Deutsche übersetzt worden seien, sei falsch, verteidigte sich Orban. Nach Betrachtung seiner bisherigen Aktivitäten ziehe er eine "positive Bilanz". Besonders unterstrich der Kommissar allerdings die Problematik, dass ihm einerseits nur begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung stünden, andererseits aber die Anzahl der Sprachen der EU durch die Erweiterungsrunden stetig gestiegen sei.
"Die Erhöhung des Übersetzungsvolumens erfolgt nicht kostenneutral", sagte er und stellte fest: "Um sicher zu stellen, dass es überhaupt keine legitime Kritik eines Mitgliedstaats an der Übersetzungspraxis der Kommission gibt, müsste alles übersetzt werden." Daher müsse man flexibel sein und von Fall zu Fall entscheiden, was übersetzt werde und in welche Sprache. "Von dieser Flexibilität hat Deutschland bisher im Vergleich zu anderen Ländern profitiert", versicherte der Kommissar.
Hauptziel seiner Politik, erläuterte Orban, sei "die Vielfalt innerhalb Europas zu managen". Angesichts von 23 Amtssprachen, drei Alphabeten und 60 Minderheitensprachen sei dies gerade in seinem Arbeitsfeld eine anspruchsvolle Aufgabe.
In der Diskussion bestand fraktionsübergreifende Einigkeit der Ausschussmitglieder in der Sache: Unisono forderten die Fraktionen Orban auf, für eine deutliche Verbesserung der Situation zu sorgen.
Im Anschluss traf Leonard Orban mit Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zusammen. Der äußerte zwar "Verständnis für die objektive Überforderung des EU-Sprachenregimes", verdeutlichte aber die "anhaltende Unzufriedenheit über das Unvermögen der Kommission, den Anspruch der Gleichberechtigung aller Mitgliedstaaten bei den Übersetzungen einzulösen oder zu einer notwendigen Neuregelung zu kommen". Norbert Lammert regte an, eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Kommission und der nationalen Parlamente einzurichten, die nach einer überzeugenden Alternative für das geltende Sprachregime suchen solle.