Politische Kultur
Robin Mishra will die Liebe zwischen Volk und Politikern neu entfachen
Deutschlands Polit-Journalisten sind offensichtlich besorgt über das schlechte Ansehen der politischen Zunft - und die daraus resultierenden Folgen für die Akzeptanz der Demokratie. Nachdem im vergangenen Jahr bereits der Parlamentskorrespondent der "Bild am Sonntag", Nikolaus Blome, in seinem Buch "Faul, korrupt und machtbessesen?" darlegte, warum Politiker besser als ihr Ruf sind, hat nun auch sein Kollege Robin Mishra vom "Rheinischen Merkur" zur Feder gegriffen. Ging es Blome noch in erster Linie darum, die gängigsten Vorurteile über Politiker, die in den Köpfen der Deutschen herumgeistern, zu entlarven und für mehr Fairness gegenüber den politischen Eliten zu werben, geht Mishra gleich einen Schritt weiter. "Wie ich lernte, die Politiker zu lieben" hat er seinen "Ratgeber für das Volk und seine Vertreter" betitelt.
Mishra will nicht weniger, als die gestörte Beziehung zwischen Politikern und Wählern in einer Paartherapie kitten. Das ist zwar ein schönes Bild, doch ein ebenso schiefes. Denn von einer Liebesbeziehung zwischen Regierenden und Regierten, zwischen "denen da unten" und "denen da oben" konnte wohl noch nie die Rede sein in der Geschichte politischer Systeme - ganz gleich ob es sich um Monarchien, Adelsrepubliken, Diktaturen oder Demokratien handelte. Eher ließe sich von einer Zweck- oder Vernunftehe sprechen. Und aus welcher Motivation sich eine solche Ehe speist, beschreibt Mishra selbst: "Weder können sich die Politiker, wie von Bertold Brecht vorgeschlagen, ein neues Volk wählen. Noch wären wir Wähler praktisch in der Lage, ein hoch entwickeltes Industrieland mit 82 Millionen Einwohnern nach Art der athenischen Volksversammlung selbst zu regieren." Und deshalb ist Scheidung keine Option, wie der Journalist konstatiert - auch wenn das Stimmungsbarometer wahrlich auf dem Tiefpunkt angekommen ist: Bekundeten im Jahr 1972 noch 27 Prozent der Deutschen Achtung vor ihren Volksvetretern, so sank dieser Wert auf gerade mal sechs Prozent im Jahr 2008.
Jede Paartherapie beginnt mit einer Bestandsaufnahme. Wo stehen die Partner, wo liegen die Fehler, die es zu beseitigen gilt? Robin Mishra hat sich alle Mühe gegeben, die Szenen einer Ehe nachzuzeichnen. Er nennt dezidiert Ross und Reiter. Wer hat wann und warum Unsinn geredet, wer hat wann und warum den Partner belogen und betrogen. Mishra macht dies an tagesaktuellen Beispielen und an einzelnen Politikern namentlich fest. Er benennt aber ebenso ausführlich die positiven Gegenbeispiele. Verallgemeinerungen sind seine Sache nicht. Problematischer ist es allerdings, wenn er dem zweiten Partner, sprich dem Wähler, auf die Finger schaut. Hier ist es ungleich schwerer, konkret zu werden, geschweige denn Namen zu nennen.
Mishras kurzweiliges und amüsant zu lesendes Buch mündet in einer Reihe von Ratschlägen, wie die brüchige Beziehung noch zu retten ist: So will er Abgeordneten ein jährliches Betriebspraktikum verordnen, um sie wieder näher an die Realitäten des Landes zu führen, erteilt Expertengremien und Gipfelrunden außerhalb des Parlaments die rote Karte, fordert eine Quote für Quereinsteiger in der Politik, will die Diäten erhöhen und dafür Privilegien in der Altersversorgung von Abgeordneten abschaffen, fordert spannendere Debatten im Bundestag und eine striktere personelle Trennung zwischen Regierung und Parlament, will die Legislaturperiode auf fünf Jahre verlängern, das Wahlrecht stärker personalisieren und Wahltermine auf Bundes- und Landesebene zusammenlegen. Diese Vorschläge sind alle nicht neu und werden immer wieder diskutiert.
An den Bürger stellt er eigentlich nur eine Forderung: Schluss mit den Beschimpfungen! Respekt vor dem Partner ist in der Tat die Grundlage jeder Beziehung. Ob die übrigen Ratschläge Wirkung zeigen, kann nur der Praxistest zeigen. Wie in jeder - guten - Ehe.
Wie ich lernte, die Politiker zu lieben. Ein Ratgeber für das Volk und seine Vertreter.
Herder Verlag, Freiburg 2009; 200 S., 14,95 ¤