energiepolitik
Die Rolle der Kernkraft ist im Bundestag weiterhin umstritten
Als um die Jahreswende im Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine die Leitungen zugedreht wurden - und viele in Europa vor Kälte bibberten - wurde ein Ruf in Deutschland lauter: der von der Neubelebung der Atomkraft. Weltweit sind derzeit nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) 436 Kernkraftwerke am Netz und 44 Kernkraftwerksblöcke im Bau. Während Befürworter darin eine "Renaissance der Atomkraft" sehen, halten ihre Gegner das schlicht für eine Legende der Atomlobby. In Deutschland sind momentan 17 Atommeiler in Betrieb. Nach den gesetzlichen Regelungen soll das letzte von ihnen bis 2022 abgeschaltet werden.
Dass an dem 2001 beschlossenen Atomausstieg "ohne jegliche Abstriche" festgehalten werden müsse, wollten Bündnis 90/Die Grünen parlamentarisch mit einem eigenen Antrag ( 16/12288) bekräftigen: "Es ist wichtig, weil unser Land vor einer energiepolitischen Richtungsentscheidung steht", begründete Bärbel Höhn diesen und fünf weitere Anträge ihrer Fraktion in der Debatte am 19. März. In der Frage der Energie der Zukunft müsse man sich entscheiden. Denn, so argmentierte Höhn, "Erneuerbare Atomkraft und erneuerbare Energien gehen nicht zusammen". Sie wies darauf hin, ein weiteres Problem sei die ungelöste Endlagerfrage: "Atommüll ist giftig, Atommüll strahlt und wir wissen nicht wohin damit." In zwei weiteren Anträgen ( 16/10359, 16/4771) fordern die Grünen unter anderem die Standfestigkeit im Forschungsendlager Asse II bei Wolfenbüttel so zu verbessern, dass die dort lagernden atomaren Abfälle herausgeholt werden können. In dem maroden Salzbergwerk lagern momentan 125.000 Fässer mit schwach und 1.400 Gebinde mit mittelradioaktivem Müll. Seit 2009 wird die Asse vom Bundesamt für Strahlenschutz betrieben.
Der Kritik, dass sich die Regierung nicht genug um die Probleme in dem Atommülllager gekümmert habe, wiedersprach Maria Flachsbarth (CDU). "Diese Bundesregierung geht die Probleme in der Asse beherzt an, auch wenn die Grünen versuchen, mit ihren Anträgen das Gegenteil zu erzeugen", sagte sie. Nachdem sie nochmals die Problematik in dem ehemaligen Salzbergwerk geschildert hatte, wiederholte sie ihre Forderung, die Asse mit höchstmöglicher Transparenz "geordnet zu schließen". Der Salzstock sei durchlöchert wie ein Schweizer Käse, konstatierte Flachsbarth. Angesichts des bevorstehenden Bundestagswahlkampfes rief sie jedoch auch dazu auf, nicht zu versuchen, durch die Verunsicherung der Bürger " vermeintliche politische Vorteile zu erlangen".
Mit der Politik früherer Jahre rechnete Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) in einem Schlagabtausch mit den Grünen ab: "Warum haben Sie sich eigentlich sieben Jahre nicht um die Sanierung der Asse gekümmert?", fragte er an die Adresse des ehemaligen grünen Koalitionspartners gerichtet. Die "pharisäerhafte Debatte" rege ihn auf, sagte er. Nicht nur die Atomwirtschaft habe dort Fehler gemacht. Auch die Grünen hätten bei der Frage der Aufsicht der Asse alles beim Alten belassen. "Wir alle haben dort also politisch unser Päkchen zu tragen", räumte Gabriel ein. Jetzt dürfe es keine Schlampigkeit geben, nur weil die Bundestagswahl bevorstehe. Um die Menschen in der Region nicht zu gefährden, müsse Genauigkeit vor Schnelligkeit gehen. Für die Asse dürfe nicht gelten "Alles raus, aber schnell - das ist das Motto für den Winterschlussverkauf".
Auch die FDP warnte davor, das Thema politisch zu instrumentalisieren. Angelika Brunkhorst warf den Grünen vor, mit ihren Anträgen "immer wieder dieselbe Predigt, immer wieder dieselben Angstszenarien" zu veranstalten. Die Menschen hätten eine sehr viel differenziertere Meinung zur Energiepolitik. "Sie versuchen den Nutzen der Kernenergie ganz bewusst klein zu reden", kritisierte sie.
Ihr Fraktionskollege Michael Kauch sprach sich für eine Verlängerung der Laufzeit für Kernkraftwerke aus. Er sagte aber auch: "Die Kernenergie ist für uns eine Übergangsenergie." Es sei nicht verantwortbar "nur auf Gas zu setzen". Denn das bedeute eine Abhängigkeit von nur wenigen anderen Energiequellen.
Bedenken, dass in Deutschland die Lichter ausgehen könnten, widersprach die Abgeordnete der Fraktion Die Linke, Eva Bulling-Schröter. Schon seit Monaten würde man hören, es gäbe bald eine Stromlücke. "Deutschland hat keine Strom-, sondern eine Handlungslücke", meinte sie. Sie zeigte sich überzeugt, dass der Anteil von Ökostrom in den kommenden Jahren weiter erhöht werden könnte. Der Ökostromanteil könne bis 2020 auf 47 Prozent steigen, sagte sie unter Bezug auf Zahlen, die kürzlich auf dem Jahreskongresses für Erneuerbare Energien veröffentlicht wurden. Anfang der 1990er Jahre sei die Meinung vertreten worden, dass niemals mehr als 4 Prozent erneuerbare Energien ans Netz gehen könnten. "Seitdem sind alle Prognosen regelmäßig übertroffen worden", stellte Bulling-Schröter fest. Sie warb dafür, politische Impulse zur Senkung des Energieverbrauchs zu setzen:"Das Energieeffizienzgesetz ist längst überfällig." Einen anderen Blick in die Zukunft machte Marco Bülow (SPD). Er warf die Frage der Generationengerechtigkeit auf. Für ihn sei die Atomenergie vor allem eins nicht: generationengerecht. Denn, so gab Bülow zu bedenken: "Die Generationen, die zukünftig durch die Kosten und den Atommüll belastet werden, werden vorher nie die Chance gehabt haben, darüber zu entscheiden, ob sie die Atomkraft wollen oder nicht."