"Das ist doch ein Schauspieler." Maximilian Eißfeldt (16) und Lars Reling (17) wundern sich etwas, als ein Bild von Peter Sodann auf ihrem Bildschirm erscheint. Dass der ehemalige Tatort-Kommissar für das Amt des Bundespräsidenten kandidiert, wussten sie nicht. Die beiden Schüler testen gemeinsam mit ihrer Klasse eine neue Online-Lernplattform, die in einigen Wochen freigeschaltet werden soll. Sie wurde von der Internet-Redaktion des Deutschen Bundestags entwickelt, um Lehrer im Politikunterricht zu unterstützen und Schülern die häufig schwer verständliche Welt des Parlamentarismus näher zu bringen.
Ein "Schülerlotse durch das Parlament" will die Lernplattform sein. Damit die Inhalte auch tatsächlich bei jenen ankommen, für die sie gedacht sind, werden sie in der Pilotphase dem Praxistest unterzogen. Die in diesem Jahr anstehende Wahl des Bundespräsidenten und des Bundestags sind zwei Schwerpunktthemen der Testversion, die Nathalie Hillmanns-Weis mit in die Alfred-Wegener-Schule in Zehlendorf gebracht hat. Für die Referentin der Internetredaktion des Deutschen Bundestags ist das Programm, das sie den Schülern vorstellt, damit sie es ausprobieren, mehr als nur eine weitere Informationsquelle im Netz. "Die Wahlbeteiligung unter jungen Erwachsenen ist dramatisch gering", sagt Hillmanns-Weis. "Wir wollen uns gegen diesen Trend stemmen. Die Lernplattform ist ein Teil dessen." Die Lernplattform soll Neugier wecken, Fragen beantworten und Spaß machen. "Für uns ist Euer Feedback sehr wichtig", bekräftigt Nathalie Hillmanns-Weis beim Besuch in der Klasse. Bei ihrer Arbeit im Bundestag sei sie weit entfernt vom Schulalltag und brauche deshalb die Unterstützung von Lehrern und Schülern. Dann schaut sie den Teenagern, die in Zweiergruppen vor den Bildschirmen sitzen, dabei zu, wie sie sich Mausklick für Mausklick in das Programm vertiefen.
Kurze Texte vermitteln Fakten, die in kleinen Tests oder Kreuzworträtseln überprüft werden können. Für die Lehrer gibt es einen Materialpool für den Unterricht. Besonders die Kreuzworträtsel haben es den Schülern angetan. "Wer wählt den Bundespräsidenten?" Maximilian und Lars schauen sich fragend an und zählen die freien Kästchen. Als kleine Hilfe erscheinen die ersten Buchstaben auf dem Bildschirm und die beiden ergänzen zur richtigen Antwort: die Bundesversammlung. Und wer bestimmt deren Mitglieder? An dieser Frage würden wohl auch viele Erwachsene scheitern. Doch die beiden wollen es wissen, überlegen, diskutieren mögliche Antworten und kommen auch dieses Mal über einen kleinen Umweg zur Lösung: der Bundestag und die Landesparlamente. Ihnen machen die Rätsel offensichtlich Spaß, konzentriert sind sie bei der Sache. Marie Louise Maas (16) und Isabele Manski (17) finden die Gliederung der Seiten allerdings etwas kompliziert. "Da muss man zu viel klicken". Tom Räse (17) wünscht sich wiederum mehr Farbe. "Ein bisschen bunter könnte es schon sein." Jede Anmerkung wird von Nathalie Hillmanns-Weis und Katharina Frier, die die Inhalte der Webseite betreut, notiert. Sie fragen nach, wollen verstehen, was die Jugendlichen sich wünschen, und die Vorschläge bis zur endgültigen Version einbauen.
Dass die 10. Klasse der Alfred-Wegener-Schule als erste die Lernplattform testen darf, hat sie ihrem Lehrer Ralf-Peter Dallmann zu verdanken. Er bewarb sich Anfang 2009, als das Team von Nathalie Hillmanns-Weis 16 Lehrer für einen Workshop suchte. Die Runde diskutierte drei Tage lang, was die geplante Lernplattform leisten sollte. Als Dallmann zwei Monate später gefragt wurde, ob man die entwickelte Testversion in seiner Klasse einem Probelauf unterziehen könne, war er sofort dabei.
Schon bald wird die Welt der Politik für seine Klasse noch greifbarer werden: Als Dank für die Unterstützung hat Nathalie Hillmanns-Weis die 10. Klasse zu einem Gegenbesuch in den Reichstag eingeladen: einmal ganz real statt nur virtuell.