Von "tiefer menschlicher Enttäuschung" sprach Bundeskanzler Willy Brandt (SPD), als sein enger Mitarbeiter Günter Guillaume 1974 als Spion enttarnt wurde. Nicht nur Willy Brandt persönlich, die ganze Bundesrepublik war im April 1974 von der Affäre betroffen: Denn mit Guillaume war es der DDR gelungen, einen ihrer Spione direkt im Zentrum der westdeutschen Regierung zu positionieren. Wie war das möglich gewesen?
1950 trat Guillaume in der DDR zum ersten Mal mit dem Ministerium für Staatssicherheit in Kontakt. Er wurde zum Agenten ausgebildet und auf die westdeutsche SPD angesetzt. 1956 ging er als angeblicher Flüchtling nach Frankfurt am Main. Nach 14 Jahren Parteikarriere in der SPD wurde er 1970 Referent im Bundeskanzleramt, 1972 persönlicher Referent von Willy Brandt. Er erhielt Zugang zu geheimen Akten und in die engsten Zirkel des Bundeskanzleramts.
Am 24. April 1974 wurde Günter Guillaume als DDR-Spion enttarnt und festgenommen. Der Bundestag debattierte zwei Tage später darüber, wie man mit ihm verfahren soll. Sollte man ihn gegen politische Häftlinge austauschen? "Das bedeutet letztlich doch nichts anderes", sagte der Abgeordnete Gerhard Reddemann (CDU), "als dass die Gefahr besteht, dass Herr Guillaume am 25. Jahrestag der DDR hochdekoriert auf der Ehrentribüne in Ost-Berlin steht."
Ausgetauscht wurde Günter Guillaume schließlich 1981, nachdem er bis dahin wegen Landesverrats in einem westdeutschen Gefängnis gesessen hatte. Willy Brandt trat am 6. Mai 1974, zwei Wochen nach der Enttarnung Guillaumes, als Bundeskanzler zurück.