Heute ist kein guter Tag für Joachim Pfeiffer. Ein Termin quetscht sich seit den frühen Morgenstunden an den anderen. Dazu kommt auch noch ein böser Schnupfen. Er ist schon zehn Minuten zu spät für die Fraktionssitzung. Joachim Pfeiffer trommelt unruhig mit dem rechten Zeigefinger auf den runden Besprechungstisch in seinem Büro im Paul-Löbe-Haus in unmittelbarer Nähe zum Reichstag, aber das wolle er noch sagen, bevor er losspringt: "Ich bin weder Büttel der Wirtschaft noch Heilsbringer ideologischer Ideen", sagt er und steht nun kerzengrade neben der Deutschlandfahne vor seinem Schreibtisch. So eine habe er schon immer für sein Büro haben wollen, sagt er und lächelt stolz.
Wie ein Büttel sieht der energiepolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Hauptmann der Reserve wahrlich nicht aus. Scharf beliebt er zu sprechen, und schnell. Seinen Wahlkreiskonkurrenten und Lieblingsfeind Hermann Scheer von der SPD nennt er gern mal einen "Öko-Stalinisten", die EU-Klimapläne eine "Kampfansage an den Industriestandort Deutschland" und die Grünen "Blender". "Ich fahre heute nur Teillast", sagt er entschuldigend - wegen der Erkältung. Man sieht es ihm nicht an.
Joachim Pfeiffer gehört zu den Hans-Dampfs unter den Parlamentariern.
Immer unter Strom und energiegeladen, immer in Bewegung. Kein Tag ohne öffentliche Diskussionen mit Freund und Feind, kein Tag ohne Treffen mit Interessenvertretern. Energiepolitik, sagt er, ist ein Haifischbecken. "Es wimmelt von Ideologien und finanziellen Interessen." Dabei wünscht er sich eine klare Linie. "Wir müssen eine stringente Energiepolitik betreiben", fordert Joachim Pfeiffer, am liebsten gebündelt in einem Ministerium. Besonders die Kompetenzen des Umweltressorts sind dem promovierten Wirtschaftswissenschaftler dabei ein Dorn im Auge. "In Europa sprechen wir Deutschen oft mit doppelter Zunge", sagt er mit Blick auf die verschiedenen Behörden, die Deutschlands Energiepolitik gestalten.
Tatsächlich treibt den 42-Jährigen in der Politik wohl am stärk- sten an, die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu verbessern. Das entspricht auch seinem beruflichen Werdegang. Nach dem Studium der technisch-orientierten Betriebswirtschaftslehre und Promotion arbeitet er bei der Enegieversorgung Schwaben und war anschließend Leiter der Wirtschafts- und Arbeitsförderung der Landeshauptstadt Stuttgart. Zudem hat er seit 2006 einen Lehrauftrag für Energiepolitik an der Universität Stuttgart. Doch wer Joachim Pfeiffer richtig kennen lernen will, muss in seinen Wahlkreis, ins Remstal. Dort hat er sich hochgearbeitet. Im Remstal, im Volksmund auch "Tal der Pietcong" genannt, zählen Glauben, Fleiß und Bescheidenheit viel. Dort sagt man über ihn, kaum einer beackere die Basis mehr als er. Joachim Pfeiffer besucht Tanzvereine und Parteiortsgruppen, Schulen und Altenheime - außerhalb der parlamentarischen Sitzungswochen täglich. Den Wahlkreis Waiblingen mit den vielen Weinbergen hat er seit seiner ersten Kandidatur 2002 direkt gewonnen.
Und er kann von der Lokalpolitik nicht lassen: Joachim Pfeiffer ist CDU-Kreisvorsitzender und Fraktionschef der direkt gewählten Regionalversammlung im Verband Region Stuttgart. "Mein Lebensmittelpunkt ist die Region Stuttgart", sagt er. Der Spagat zwischen Schwaben und Preußen hat Folgen: "Meine Tage sind intensiv und oft bis zu 20 Stunden lang; außer für Schlafen und Essen bleibt da nicht mehr viel."
Heute ist ein schlechter Tag für Joachim Pfeiffer, noch immer. Keine Woche ist nach dem Amoklauf in Winnenden vergangen - sein Wahlkreis. Er hatte an jenem Tag nicht viel geredet, dafür still getröstet und umarmt, war da. Mancher Politikerkollege dagegen erklärte schon in Mikros hinein die Welt, da waren die Toten noch nicht gezählt. "Trauer braucht Zeit", sagt Joachim Pfeiffer, und geht zur Tür, er springt geradezu. Wirkt irgendwie erleichtert. Die Fraktionssitzung wartet. Und die Energiepolitik, mit ihrer Komplexität, ihrem Streit und ihrer Lebendigkeit.