Die Umsatz- und Mehrwertsteuer in der Hotellerie und der Gastronomie sollen ermäßigt werden. Dies verlangt die FDP-Fraktion in einem Antrag ( 16/12287). Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, "ermäßigte Mehrwertsteuer- und Umsatzsteuersätze für Hotellerie und Gaststätten zur Beseitigung bestehender Wettbewerbsnachteile in Deutschland und zur Verbesserung der tourismuspolitischen Rahmenbedingungen insbesondere für kleine und mittelständische Betriebe der Tourismusbranche einzuführen".
Die neu aufgeflammte Diskussion um die Ausweitung des in Deutschland bei sieben Prozent liegenden Mehrwertsteuersatzes (der reguläre Satz beträgt 19 Prozent) hat neben dem heraufziehenden Wahlkampf einen handfesten europäischen Hintergrund. Die Finanzminister der Europäischen Union beschlossen am 10. März 2009 besonders auf Druck von Frankreich, die Anwendung reduzierter Steuersätze auf arbeitsintensive Dienstleistungen wie die Gastronomie zuzulassen. "Dieser Beschluss ist mit der Stimme des deutschen Bundesfinanzministers und damit der Bundesregierung getroffen worden", vermerkt die FDP-Fraktion in der Begründung ihres Antrages. Gleichzeitig wird auf unterschiedliches Verhalten der Regierung und des Finanzministers in Brüssel und Berlin hingewiesen: "Es ist nicht nachzuvollziehen, dass die Bundesregierung der Senkung der Mehrwertsteuersätze für bestimmte Branchen auf europäischer Ebene zustimmt, gleichzeitig aber den heimischen Hoteliers und Gastronomen reduzierte Mehrwertsteuersätze zur Beseitigung bestehender Wettbewerbsnachteile in Deutschland verweigert." In der EU würden 22 der 27 Mitgliedstaaten in der Hotellerie den ermäßigten Steuersatz anwenden. Die Ausnahme sei damit längst zur Regel geworden. Die Wettbewerbsnachteile für die deutschen Unternehmen müssten beseitigt werden. Andernfalls drohe der Verlust von 20.000 Arbeitsplätzen, so die FDP-Fraktion. Als besonders skurril empfindet die Fraktion die unterschiedlichen Steuersätze in einem Gastronomiebetrieb: Verkauft der Wirt Speisen außer Haus, sind sieben Prozent Mehrwertsteuer fällig. Wird das Essen am Tisch serviert, müssen 19 Prozent erhoben werden.
Einen Verbündeten hat die FDP in der CSU. Aber entgegen erster Forderungen haben es die CSUler nicht mehr so eilig. In einem während einer Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Banz beschlossenen Papier ist von einer Steuersenkung vor der Bundestagswahl keine Rede mehr. Am Ziel wird aber festgehalten. Die CSU will die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes in der Hotellerie und Gastronomie, und sie will im übrigen den Mehrwertsteuer-Dschungel lichten, also zum Beispiel die unterschiedliche Besteuerung von am Tisch servierten und außer Haus verkauften Essensportionen beenden. Die Schwesterpartei CDU reagierte sehr zurückhaltend auf diese Pläne, so dass kaum eine Chance besteht, die Forderung ins gemeinsame Wahlprogramm zu schreiben.
Recht wohl scheint sich der Finanzminister im Mehrwertsteuer-Dschungel zu fühlen. Steinbrücks Ministerium hat eine Liste erstellt, in der aufgezählt wird, was eine Ausweitung des reduzierten Steuersatzes den Staat kosten würde. 700 Millionen Euro würden Bund und Ländern pro Jahr entgehen, wenn Windeln und Papiertaschentücher nur noch den ermäßigten Steuersatz kosten würden. Wenn im Gaststättengewerbe nur noch sieben Prozent fällig würden, müssten die Staatskassen auf fast drei Milliarden Euro im Jahr verzichten. Eine Begünstigung von Friseuren und Kosmetiksalons könnte 750 Millionen kosten.
Statt immer mehr Ausnahmen vom regulären Satz von 19 Prozent zu machen, gäbe es natürlich auch eine andere Möglichkeit: Es würde nur noch ein einheitlicher Satz von 19 Prozent gelten. Streitereien mit dem Finanzamt, wie viele Essensportionen am Tisch serviert und wie viele außer Haus verkauft wurden, hätten sich dann erledigt. Und die Staatskassen würden 20 Milliarden Euro pro Jahr mehr einnehmen.