MARTIN WANSLEBEN
Der DIHK-Geschäftsführer will eine Politik der Nachhaltigkeit, aber keine allzu
großen Eingriffe in die Wirtschaft
Herr Wansleben, Sie haben vor zwei Monaten bei der Konjunkturumfrage des DIHK gesagt, es bestehe die Chance, dass sich die Wirtschaft aus ihrer Schockstarre befreit. Sehen Sie den Silberstreif am Horizont noch?
Es gibt einige Branchen und Unternehmen, die wieder leicht steigende Auftragseingänge haben. Wir sehen aus Umfragen, dass sich durchaus auch die Erwartungen verbessern. Die Folgen der Krise sind damit natürlich noch nicht bewältigt. So wird der Arbeitsmarkt sicher noch in etwas schwieriges Fahrwasser kommen. Trotz eines positiven Trends sehen wir daher auch die Gefahr von Rückschlägen.
Verschiedene Stimmen wie auch BDI-Präsident Hans-Peter Keitel fordern, die Krise als eine Chance zu betrachten und jetzt die Weichen für eine ökologische und nachhaltige Wirtschaft zu stellen. Ist das das richtige Konzept?
Nachhaltigkeit hat verschiedene Facetten. Es ist nicht nur ein ökologisches Thema, sondern Nachhaltigkeit heißt, so zu agieren, dass unser Handeln auch in anderen Politik- und Lebensfeldern über den Tag hinaus Bestand hat. Nachhaltigkeit hat in der Krise eine besondere Bedeutung und erstreckt sich daher jetzt vor allem auch auf die Finanzmarktregulierung. Daneben gibt es in den entwickelten Volkswirtschaften eine Veränderung in der Werthaltung, so dass die Frage der ökologischen Nachhaltigkeit - also Umweltschutz, saubere Gewässer, Wasserknappheit bis hin zu CO2 - oben auf der Agenda steht.
In letzter Zeit ist viel von ökologischer Industriepolitik die Rede. Sehen Sie diese Politik als Hauptgeschäftsführer des DIHK eher als Chance oder vielmehr als Kostenfaktor?
Die Frage ist, was man unter ökologischer Industriepolitik versteht. Wenn damit ein kleinmaschiges und kleinkariertes Eingreifen in die Wirtschaft gemeint ist, dann ist das für mich das Gegenteil von Nachhaltigkeit - außerdem ist es ein Irrglaube, wenn die Politik meint, zu wissen, was die besseren Produkte sind. Ich denke, dass man auf diese Weise Vielfalt zerstört und den Unternehmen und den Bürgern damit eher Chancen nimmt, als sie ihnen zu geben.
Aber zeigt uns nicht gerade im Moment die Finanzkrise, wie wichtig es ist, einen funktionierenden Ordnungsrahmen zu haben...
Wir sehen bei der Bekämpfung der Krise, wie schwierig es ist, wenn der Staat eingreifen muss, um noch Schlimmeres zu verhindern. Wir sehen auch die Grenzen staatlichen Handelns. Industriepolitik muss, wenn sie positiv wirken will, bestimmte Ziele und grundlegende Spielregeln vorgeben. Aber ansonsten sollte sie auf Engagement, unternehmerische Fantasie und auf Vielfalt setzen. Denn dies bereichert unser Leben und die Wirtschaft.
Apropos Vielfalt: Das Aus für die klassische Glühbirne aufgrund der Vorgaben der Ökodesign-Richtlinie erhitzt die Gemüter. Sind solche Standards ein Wettbewerbshindernis oder stärken sie die Innovationskraft der Unternehmen?
Die Ökodesign-Richtlinie ist falsch, weil sie nicht nur Ziele formuliert, sondern detailliert in Produktpolitik und Innovationsdynamik eingreift. Für mich ist das ein klassischer Beleg für die Anmaßung von Wissen: Wenn Politik im Detail glaubt, zu wissen, was besser für alle ist. Wir sind gut beraten, auf Verantwortung auf der einen und auf Freiheit auf der anderen Seite zu setzen. Wir brauchen einen vernünftigen Rahmen für die Industrie und keine kleinkarierten, einseitigen Eingriffe. Denn Nachhaltigkeit bedeutet nicht, Ökologie zur ausschließlichen Orientierung der Politik zu machen.
In den Wahlprogrammen aller Parteien des Bundestages ist die Forderung nach Nachhaltigkeit zu finden. Wie "grün" ist die Wirtschaftspolitik der Parteien denn wirklich?
Das Thema Umwelt spielt eine immer größere Rolle. Wir können es uns in unseren entwickelten Volkswirtschaften zunehmend leisten, eine entsprechende Sensibilität dafür zu haben. Und daher spielt das Thema in allen Programmen eine wichtige Rolle.
Geht es um die Frage, ob man es sich leisten kann oder ist es nicht angesichts der Klimaveränderungen zwingend notwendig, die Umwelt zu schützen?
Ja, ich gebe Ihnen Recht. Trotzdem ist es keine nachhaltige Politik, sich Bürden aufzuerlegen, die man hinterher nicht mehr tragen. kann. Für mich ist die entscheidende Frage, wie können wir die Umweltkosten in die Produkte integrieren und gleichzeitig weltweit wettbewerbsfähig sein. Um den CO2-Ausstoß zu senken, müssen wir sicherlich auch unsere Lebens- und Produktionsgewohnheiten verändern. Dies muss man sich aber auch leisten können und wollen.
Der Kanzlerkandidat der SPD, Frank-Walter Steinmeier, verspricht in seinem "Deutschlandplan" im Umweltbereich zwei Millionen neue Jobs. Halten Sie das für realistisch?
Ich glaube, dass es problematisch ist, mit solchen mechanistischen Planansätzen Politik betreiben zu wollen. Es stellt sich auch die Frage, was genau unter Ökologie oder Umwelttechnologie verstanden wird. Meiner Meinung nach ist zum Beispiel auch die Automobilindustrie ein wichtiger Träger von Umweltpolitik. Ich finde an dem Ansatz gut, dass man darüber redet, wie Deutschland wieder Fuß fasst und Vollbeschäftigung bekommt anstatt nur zu lamentieren, dass uns die Arbeit ausgeht.
Eine aktuelle Green-Tech Studie von Roland Berger besagt, dass die Umweltindustrie die Automobilindustrie bis 2020 überflügelt haben könnte. Was meinen Sie dazu?
Mobilität bleibt ein Kernthema. Wer glaubt, in Deutschland Arbeitsplätze schaffen zu können, indem er die Automobilindustrie verteufelt und in eine Schmuddelecke stellt, der irrt. Die Automobilbranche hat als Umweltindustrie eine Zukunft. Das gilt natürlich auch für anderen Industriezweige wie zum Beispiel den Maschinenbau.
Sie fordern für die Zukunft sichere und bezahlbare Energie. Woher soll diese Energie am besten kommen?
Bei einer wachsenden Weltbevölkerung ist ein steigender Energieverbrauch vorprogrammiert. Deswegen müssen wir alle Energien und Technologien nutzen. Ich halte es daher für hochbedenklich, wenn eine neue Technologie wie die zur Abscheidung von CO2 bei Kohlekraftwerken, also die CSS-Technik, an einer eher oberflächlichen Diskussion in Deutschland scheitert.
Und wie beurteilen Sie die künftige Rolle der Atomenergie?
Wir werden sicherlich nicht umhin kommen, die sicheren Atomkraftwerke länger laufen zu lassen. Wir brauchen noch Zeit. Denn die regenerativen Energien sind ja davon abhängig, dass sie subventioniert werden. Und es muss unsere Aufgabe sein, Technologien zu entwickeln und einzusetzen, die umweltverträglich und zugleich so leistungsfähig sind, dass sie ohne Subventionen auskommen.
Die Umweltindustrie gilt als Markt mit hohem Wachstumspotenzial. Doch die Konkurrenz aus anderen Ländern wächst. Brauchen wir zur Unterstützung der Branche mehr oder weniger Staat?
Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen, damit deutsche Unternehmen weltweit erfolgreicher sein können. Schon jetzt drängen die Chinesen mit Solarpanels auf den Markt, so dass deutsche Unternehmen Mühe haben, mitzuhalten. Daher gibt es nur eins: besser werden, besser werden...
Wie erreicht man das am besten?
Dazu muss das Geld bei den Unternehmen bleiben. Sie müssen investieren können. Und sie müssen auf gut ausgebildete Arbeitskräfte setzen können. Wir brauchen viel bessere Schulen, Kindergärten und Universitäten - und eine Gesellschaft, die neugierig auf die Zukunft ist.
Das Interview führte Annette Sach. Mitarbeit: Ina Franke
Martin Wansleben, Jahrgang 1958, ist
seit dem Jahr 2001 Geschäftsführer
des Deutschen Industrie- und
Handelskammertages (DIHK).