GREEN NEW DEAL
Weltweit propagieren Länder »grünes Wirtschaften« - mit unterschiedlichen Ansätzen
Im Land der Super-Highways, der zugigen Leichtbauhäuser und der energiefressenden Klimaanlagen ist die Öko-Revolution ausgebrochen. Seit Barack Obama im Weißen Haus regiert stehen in den USA die Zeichen auf Grün. Im neuen US-Kabinett sitzen nicht mehr vornehmlich Lobbyisten der Ölindustrie, sondern auch Experten für erneuerbare Energien. Auf internationalen Klimakonferenzen treten die Amerikaner nicht mehr als Bremser auf, sondern als Antreiber. Auch bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise gehen die USA jetzt grüne Wege.
Mit seinem ökologischen Konjunkturprogramm "Green New Deal" investiert Obama im Rahmen seines Konjunkturpaketes mehr als 100 Milliarden Dollar unter anderem in Solardächer, isolierte Häuser, den öffentlichen Nahverkehr und umweltfreundliche Kraftwerke. Mitten in der Finanzkrise will Obama damit zwei Millionen neue Jobs schaffen. Für das bisherige Öko-Entwicklungsland USA ist das etwas Neues. Unter Obamas Vorgänger George W. Bush war das noch undenkbar.
Auch in anderen Ländern versuchen die Regierenden mit Investitionen in grüne Technologien den Weg aus der Wirtschaftskrise zu finden. Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon wirbt unablässig für grüne Investitionen. Der in Mode gekommene Begriff "New Deal" geht zurück auf den Börsencrash und die Weltwirtschaftskrise in den Dreißigerjahren. Damals hatte US-Präsident Franklin D. Roosevelt mit einem millardenschweren Rettungsplan die Arbeitslosen von der Straße geholt. Im Mittelpunkt standen massive Investitionen in die Infrastruktur. Allein in den ersten zwei Jahren des New-Deal-Programms wurden in den USA 7.000 Brücken, 2.000 Spielplätze und 2.000 Meilen Deiche gebaut. In den Städten floß das Geld in neue Flughäfen, Stadtautobahnen, Straßentunnels, Zoos, Postämter oder Polizeistationen. Die Infrastrukturrevolution half Amerika, die Binnennachfrage anzukurbeln,die Krise zu bewältigen und sich fit für die Zukunft zu machen.
Ähnliches haben nun die Protagonisten des "Green New Deal" vor. Die Umweltorganisation der Vereinten Nationen (Unep) hatte im Herbst 2008 vorgeschlagen, die weltweit ohnehin geplanten Gelder zur Stützung der Konjunktur zielgerichtet zur Bewältigung der großen Zukunftsaufgaben wie etwa der Klima- oder Hungerkrise einzusetzen. Das soll neue Jobs bringen und gleichzeitig der Umwelt helfen. Nach Berechnungen der Investmentbank BNP pumpen die 20 größten Industrie- und Schwellenländer (G20) mit ihren Konjunkturpaketen rund 1.000 Milliarden US-Dollar in den Schutz der Umwelt. "Die USA, Südkorea und China verfolgen den Green New Deal mit größter Konsequenz", sagt der Leiter des Umweltprogramms Achim Steiner.
Südkorea etwa investiert etwa 80 Prozent seiner Konjunkturgelder in Projekte mit ökologischem Mehrwert. "Dieser Anteil ist der höchste der Welt", erklärte Ministerpräsident Han Seung Soo zufrieden. Die Regierung will beispielsweise das Eisenbahnnetz ausbauen, Schulen energetisch sanieren und Flusslandschaften durch den Bau von Dämmen, Schleusen und Brücken neu gestalten. Durch die Investitionen von knapp 30 Milliarden Euro sollen in den nächsten drei Jahren knapp eine Million Jobs geschaffen werden.
Auch das Wirtschaftswunderland China hat den "Green New Deal" für sich entdeckt. Die Volksrepublik investiert 40 Prozent ihres Konjunkturprogramms in ökologische Infrastruktur. Das sind immerhin rund 250 Milliarden Dollar. Dazu gehören moderne Eisenbahnnetze oder die Energie- oder Wasserversorgung. China will damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Einerseits werden damit kurzfristig Investitionen angeschoben und Arbeitsplätze gesichert. Andererseits soll sich daraus aber auch ein langfristiger, ökologischer Mehrwert ergeben.
Auch Deutschland ist bei Konjunkturpaketen mit ökologischen Investitionen eher zürückhaltend, was auch damit zusammenhängt, dass der Nachholbedarf beim Umweltschutz in Europa generell geringer ist als in den USA oder vielen Schwellenländern. "Die Gefahr ist groß, dass Europa sich auf seiner Vorreiterrolle ausruht", meint Unep-Chef Steiner. Umweltexperten wie etwa Steiners Vorgänger Klaus Töpfer mahnen deswegen mehr ökologische Komponenten an. "Wir brauchen Maßnahmen, die Arbeitsplätze in zukunftsfähigen Technologien bringen und gleichzeitig den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren", meinte Töpfer. Kurzfristige konjunkturelle Strohfeuer lehnt er ab.
Insgesamt fließt aus den beiden Konjunkturpaketen der Koalition weniger als 15 Prozent in grüne Branchen. In der ganzen EU sieht es ähnlich aus. Lediglich 45 Milliarden US-Dollar macht sie für grüne Technologien locker.
Und doch hat sich weltweit die Erkenntnis durchgesetzt, dass Ökonomie und Ökologie zwei Seiten einer Medaille sind. Wer der Umwelt hilft, hilft auch der Wirtschaft, lautet das Credo. Auf die Frage, warum Großbritannien ausgerechnet in der Rezession in Windkraft und Elektroautos investiere, antwortete der britische Premierminister Gordon Brown jüngst: "Die Umwelt ist Teil der Lösung."
Jörg Michel ist Redakteur
der "Berliner Zeitung".