ABFALL
Die Kreislaufwirtschaft könnte schon bald zum einträglichen Geschäftsfeld werden
"Du bist Erde und sollst zu Erde werden", heißt es in der Bibel im 1. Buch Mose. Zumindest das zur "Erde werden" ist wissenschaftlich unbestritten: Bei einem toten Hasen dauert es fünf Jahre, bei einem Menschen ungefähr 30 , bei Gestein einige Jahrtausende. Wie das im Einzelnen funktioniert, ist bis heute eine gute Frage. Sagen lässt sich aber, dass die Natur hier das Musterbeispiel einer Kreislaufwirtschaft unterhält. Ohne die gigantische Verwertungsstation "Boden" wäre dieser Planet längst mit Bioabfall zugemüllt, die Luft nicht mehr atem- und das Wasser nicht mehr trinkbar. Die Natur kennt keinen Abfall. Jeder Lebenszyklus endet als Vorstufe für einen neuen Prozess. Ein unermüdlicher Kreislauf, der Billionen von Mikroorganismen Nahrung verschafft, Klimagase bindet, Luft und Wasser filtert, Pflanzen zu Humus - und diesen wieder zu Pflanzen werden lässt.
Ungefähr das hat auch der Agraringenieur Christoph Schwartz mit einer alten Kokerei vor: Die Industriebrache nahe der französischen Stadt Nancy soll zu Erde werden - ein mit Schwermetallen kontaminiertes Areal, auf dem Betonruinen thronen. Bislang wurden derart industrielle Überbleibsel aufwendig abgetragen, Erde und Bauschutt auf Sonderdeponien endgelagert. Schwartz lässt den vergifteten Grund von Mutter Natur zu fruchtbarem Boden "verdauen". Er brachte dafür Gras- und Baumbeschnitt, Abfallschlämme aus der Papierherstellung und eine LKW-Ladung Regenwürmer aus. Mehrere Hektar Sondermüll könnten bald als Anbaufläche für Biosprit-Pflanzen taugen. Irische Wissenschaftler haben nämlich nachgewiesen, dass Raps auf mit Arsen, Kupfer und Nickel verseuchten Flächen vorbildlich wächst und überdies Schwermetalle in harmlose Stoffe umwandelt.
Was hier im Großen als Kreislauf in Gang gesetzt wird, funktioniert bereits vielfach im Kleinen. Seit 1996 das Kreislauf- und Abfallgesetz in Kraft trat, wird in der EU eine Umgestaltung der Abfallwirtschaft vorangetrieben. Hintergrund ist die Tatsache, dass in absehbarer Zukunft fossile Ressourcen aufgezehrt und die zur Verfügung stehenden Deponierungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Das Ziel sind Verbrauchsgüter, die biologisch abbaubar sind sowie Gebrauchsgüter, die sich endlos weiterverwenden lassen. Diese Kreislaufwirtschaft wird zum lukrativen Geschäftsfeld, in dem etwa das deutsche Unternehmen Remondis mit 17.000 Mitarbeitern jährlich 25 Millionen Tonnen "Abfall" aufbereitet, Elektroaltgeräte zur Edelmetallgewinnung "rückbaut" oder hunderttausende Tonnen Rückstände aus Rauchgasanlagen von Kohlekraftwerken zu Gips für die Bauindustrie verarbeitet. Die Frage, was mit dem Produkt oder der Maschine nach ihrem Lebenszyklus passiert, wird somit in Zukunft vor der Herstellung zu beantworten sein. Fernseher sind heute so gebaut, dass die Wertstoffe später einfach zu entnehmen sind. Waschmaschinen bestehen nicht mehr aus hunderten Sorten Plastik, sondern lediglich aus fünf. Auch ganze Systeme werden in Kreisläufe integriert, wie beim geplanten "Agropark" im holländischen Venlo, der Viehzüchter und Gewächshausbetreiber vereint. Von den Tieren produzierte Biogase und Körperwärme werden für den Betrieb der Gewächshäuser genutzt. Der anfallende Stallmist dient als Dünger. Im Gegenzug werden pflanzliche Abfälle verfüttert. Oder sie werden in modernen Humusanlagen - wie im Bibelwort - zu Erde.