Der Beginn ihrer zweiten Amtszeit war für Angela Merkel alles andere als glanzvoll. Die Koalitionsverhandlungen wirkten mühsam, vom Zauber einer Wunschkoalition war wenig zu spüren. Die Zusammenstellung des neuen Kabinetts hat den ein oder anderen in der Koalition verärgert, auch wenn die Kritik nicht laut geäußert wurde. Kein Wunder also, dass der Kanzlerin bei der Wiederwahl im Bundestag mindestens neun Stimmen aus den eigenen Reihen fehlten.
Neun Stimmen zu wenig ändern nichts an der klaren Mehrheit von CDU, CSU und FDP im Bundestag. Der Dämpfer hält sich auch im historischen Vergleich im Rahmen, trotz aller Abweichler ist noch nie ein Kanzler an anonymen Heckenschützen gescheitert. Dennoch sollte Merkel die Warnungen nicht überhören. Auch ihr wohlgesonnene Medien waren entsetzt über den Versuch, kurzfristig einen gigantischen Nebenhaushalt aufzubauen. Und Bundespräsident Horst Köhler hat bei der Amtseinführung der neuen Minister unmissverständlich gefordert, dass der Abbau der Verschuldung ein wichtiges Ziel bleiben muss. Außerdem ist es nicht gut für eine Regierung, wenn zentrale Vorhaben wie die Gesundheitsreform oder die Steuerreform so offen formuliert sind, dass noch vor der ersten Kabinettssitzung Streit über die Auslegung des Koalitionsvertrages ausbricht.
Die Kanzlerin muss jetzt Zeichen setzen. Die bevorstehende Regierungserklärung bietet Chancen, zu erklären, wohin diese Koalition das Land führen soll. Der auch sprachlich missglückte Koalitionsvertrag lässt zu viele Fragen offen. Merkel hat eine stabile Mehrheit im Bundestag und im Volk, die Opposition schwächelt noch nach der Niederlage der SPD. Aber eine Regierung, die zu viele Unklarheiten lässt, kann ihre Zustimmung schnell verspielen.