ERWEITERUNG
Bessere Perspektive für West-Balkan gefordert
"Die Tür nach Europa steht weit offen. Den letzten Schritt durch die Tür müssen die südosteuropäischen Staaten selber machen." Davon ist Rainer Stinner, außenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion überzeugt. Bei der von der Heinz-Schwarzkopf-Stiftung organisierten Konferenz "After the Wars - The Western Balkan facing the European Union" am 3. Dezember in Berlin machte er deutlich, dass die EU nicht aus reiner Selbstlosigkeit die Integration Albaniens, Bosnien-Herzegowinas, Kroatiens, Mazedoniens, Montenegros, Serbiens und des Kosovo unterstütze. "Wir tun das nicht, weil wir so gute Menschen sind", sagte Stinner. Die Region und ihre Stabilität sei von außerordentlichem Interesse für Deutschland und Europa. Dies zu betonen sei Aufgabe der "50 bis 60 Parlamentarier im Bundestag, die sich mit der Region gut auskennen", erklärte Stinner, der Vorsitzender der Parlamentariergruppe Bosnien-Herzegowina ist. Die anderen Parlamentarier und die Öffentlichkeit müssten davon überzeugt werden, "dass es gut und wichtig ist, die Region zu unterstützen und die demokratischen Akteure zu stärken". Sonst drohe eine "Balkanmüdigkeit". Aber auch aus der Region müssten gute Nachrichten kommen, mahnte Stinner die Tagungsteilnehmer aus den Ländern des West-Balkan.
Gute Nachrichten in die entgegengesetzte Richtung forderte Agron Bajrami, Chefredakteur der kosovarischen Zeitung Koha Ditore. "Manche Nachrichten aus der EU sind gut für einige Länder und wirklich sehr schlecht für andere", sagte Bajrami im Hinblick auf die am 1. Januar 2010 in Kraft tretende Visaregelung. Sie sieht vor, die Visumspflicht für alle Staaten aus der Region für die Einreise in die Schengen-Staaten aufzuheben. Ausgenommen davon sind Bosnien-Herzegowina, das Kosovo und Albanien. Diese, so die Begründung der EU-Kommission, erfüllten die Kriterien dafür noch nicht. Der Haken an der Sache im Fall von Bosnien: Die bosnischen Kroaten und die bosnischen Serben können Pässe aus Kroatien und Serbien erhalten. "Die Regelung isoliert die bosnischen Muslime", kritisierte Tanja Falon, slowenische Abgeordnete der SPE im Europäischen Parlament. Dies müsse schnell geändert werden. Rainer Stinner betonte: "Wir müssen die Menschen einladen und sie in der EU willkommen heißen."Er sehe in dieser Frage "Licht am Ende des Tunnels".
Neben der Debatte über die Visa-Liberalisierung wurde vor allem über die Situation in Bosnien-Herzegowina diskutiert. Marieluise Beck von Bündnis 90/Die Grünen betonte, die Situation im Land stehe "auf der Kippe" und fügte hinzu: "Wir haben in Bosnien immer noch die Situation, in der niemand sagen kann, ob es wieder zu gewaltsamen Konflikten kommt." Am selben Tag betonte Beck in der Bundestagsdebatte über einen SPD-Antrag ( 17/106) zu diesem Thema, dass der Balkan in Vergessenheit zu geraten drohe.
Gunther Krichbaum (CDU) forderte für die Staaten des ehemaligen Jugoslawien eine Perspektive zum Beitritt in die EU. Es sei wichtig für die jungen Menschen, durch Europa reisen zu können. "Nur das hilft, den Nationalismus zu überwinden", sagte Krichbaum. Den SPD-Antrag, der eine Stärkung der EU-Perspektive für die Länder fordert, lehne die CDU/CSU-Fraktion jedoch ab, weil er nur "pure Selbstverständlichkeiten"enthalte. Auch die Fraktion Die Linke stimmte gegen den Antrag. "Schon in der Überschrift Ihres Antrags nennen Sie das Kosovo einen Staat; aber das ist ein Bruch des Völkerrechts", begründete Dieter Dehm die Entscheidung der Linksfraktion.
Dietmar Nietan hatte für die SPD-Fraktion zuvor betont, dass mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon der richtige Zeitpunkt gekommen sei, das Versprechen für eine "ernsthafte Chance für einen Beitritt" zu erneuern. Gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen wurde der Antrag abgelehnt.