Öffentliche Anhörung des Untersuchungsausschusses
Man müsse "die Tatsachen schon sehr verdrehen", um eine Mitschuld der deutschen Regierung an der "Renditions"-Praxis der CIA zu konstruieren, unter der die Entführung Terrorverdächtiger verstanden wird, die zu Geheimgefängnissen geflogen und dort möglicherweise misshandelt oder gefoltert wurden. Dies erklärte Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag, dem 19. Juni 2008 zum Auftakt seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss.
Der unter Kanzler Gerhard Schröder als Chef der Regierungszentrale amtierende SPD-Politiker sagte, er sei erst zum Jahresbeginn 2005 durch Berichte in US-Medien auf die Renditions aufmerksam geworden. Als Außenminister habe er Ende November gegenüber der US-Regierung rasch deutlich gemacht, dass diese Methoden "nach deutschem Recht nicht akzeptabel" seien. Beim Kampf gegen den Terrorismus müssten rechtsstaatliche Standards beachtet werden.
Der ehemalige Kanzleramtschef wies Kritik der Opposition zurück, wonach die deutsche Regierung angesichts des Schicksals Abdel Halim Khafagys schon im Oktober 2001 von den Renditions und der Misshandlung von Gefangenen durch US-Militärs hätte Kenntnis haben müssen. Laut Steinmeier erlitt der in München lebende Ägypter "gravierendes Unrecht", der Ende September 2001 in Bosnien von US-Militärs irrtümlich unter Terrorverdacht festgenommen, dabei am Kopf schwer verletzt und anschließend in einem US-Camp unter rechtsstaatswidrigen Umständen wie etwa Schlafentzug inhaftiert worden war. In den damaligen Sicherheitsrunden im Kanzleramt, so der heutige Außenminister, seien die Verletzungen und Haftbedingungen Khafagys jedoch nicht thematisiert worden. In der Regierungszentrale habe man sich nur deshalb kurzfristig für diesen Mann interessiert, weil als dessen Begleiter zunächst ein hochrangiger El-Kaida-Aktivist vermutet worden sei, was sich dann als Irrtum herausstellte.
Zu Beginn der Ausschuss-Sitzung am Vormittag hatte auch BKA-Vizepräsident Bernhard Falk erklärt, er habe in den seinerzeitigen Sicherheitslagen im Kanzleramt die Inhaftierung Khafagys in Bosnien nicht angesprochen: Nicht erreicht habe ihn ein im BKA eigens für die Beratungen im Kanzleramt erstellter "Sprechzettel", in dem die Entscheidung zweier nach Bosnien entsandter BKA-Beamter erläutert wurde, eine Befragung Khafagys wegen dessen rechtsstaatswidriger Misshandlungen zu verweigern.
Steinmeier verwies auf den Bericht des vom Ausschuss zu den CIA-Flügen eingesetzten Ermittlungsbeauftragten Joachim Jacob, nach dessen Recherchen nur zwei dieser geheimen Gefangenentransporte nachzuweisen seien, die unter Inanspruchnahme des deutschen Luftraums erfolgten. Der Außenminister zeigte sich "irritiert", dass seine US-Kollegin Condoleeza Rice im Frühjahr eingeräumt habe, die USA hätten die britische Insel San Diego und damit europäisches Territorium für Renditions genutzt. Er habe sofort gegenüber Washington interveniert, um herauszufinden, ob weitere Flüge dieser Art auch in Deutschland stattfanden. Eine Antwort, so Steinmeier, sei bis heute nicht eingegangen. Es sei schwierig, von den USA zu den geheimen Gefangenentransporten klare Auskünfte zu erhalten, das sei sicher "unbefriedigend."
Vor Steinmeier hatte der frühere Datenschutzbeauftragte Jacob ausgeführt, dass sich seine Arbeit nur auf ein beschränktes Datenmaterial stützen könne, da sich die USA bei Recherchen nicht kooperativ zeigten. Auf dieser begrenzten Basis seien unter den vielen hundert zur Debatte stehenden CIA-Flügen von ihm nur zwei zu ermitteln gewesen, die einen Bezug zu Deutschland haben. Ende 2001 sei durch den hiesigen Luftraum ein Terrorverdächtiger von Stockholm nach Kairo gebracht worden. Und 2003 sei der in Mailand von CIA-Agenten verschleppte Ägypter Abu Omar über die pfälzische US-Basis Ramstein an den Nil geflogen worden. Davon habe die deutsche Regierung nach seinen Recherchen erst im Juni 2005 erfahren, die Staatsanwaltschaft Zweibrücken habe dann im Juli jenes Jahres Ermittlungen aufgenommen.
Laut Jacob hatte die Bundesanwaltschaft Untersuchungen zur eventuellen Inhaftierung von "arabischstämmigen Männern" und von Personen "in orangefarbenen Overalls" nach Guantanamo-Muster in den Jahren 2003 und 2006 in einer Mannheimer US-Kaserne mit plausibler Begründung wieder eingestellt, da sich ein entsprechender Verdacht durch Zeugenaussagen nicht habe erhärten lassen. Nach Einschätzung von Oppositionsabgeordneten lassen die Ermittlungen zu diesem Komplex jedoch noch Fragen offen.
Als Zeugen wurden vernommen: