Bundestag beriet über Umgang mit Patientenverfügungen
Millionen Deutsche haben bisher eine so genannte Patientenverfügung unterschrieben. Darin erklären sie, welche medizinische Behandlung sie wünschen, wenn sie infolge einer schweren Krankheit nicht mehr selbst entscheiden können. Bisher gibt es kein Gesetz, das den Umgang mit einer solchen Patientenverfügung klar regelt. Ein fraktionsübergreifender Gesetzentwurf, über den der Bundestag am Donnerstag, dem 26. Juni 2008, erstmals beriet, will bestehende Unsicherheiten jetzt ausräumen.
Verfasst wurde der Gesetzentwurf ( 16/8442) vom SPD-Rechtsexperten Joachim Stünker. Unterstützt wird er von 118 weiteren SPD-Abgeordneten - unter ihnen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries - , 43 Parlamentariern der FDP-Fraktion, 25 Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie 24 Parlamentariern der Fraktion DIE LINKE.
Mit der gesetzlichen Regelung der Patientenverfügung wollen die Abgeordneten für alle Beteiligten mehr Rechtssicherheit schaffen. Insbesondere soll die vorab verfasste Willenerklärung eines Patienten grundsätzlich verbindlich werden - unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung. Ein Vormundschaftsgericht soll lediglich bei besonders schwerwiegenden Entscheidungen eines Betreuers oder Bevollmächtigten und bei Zweifeln am Patientenwillen hinzugezogen werden und ärztliche Maßnahmen genehmigen.
Die Abgeordneten begründen ihre Initiative mit dem Wunsch vieler Menschen nach der Gewissheit, dass sie über die Art und Weise ihrer medizinischen Behandlung selbst bestimmen können, wenn sie aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls entscheidungsunfähig werden. Dazu diene eine Patientenverfügung. Sie verweisen dabei auch auf zwei Urteile des Bundesgerichtshofs: In beiden Fällen habe er die Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts bei ärztlichen Maßnahmen und die Verbindlichkeit der Patientenverfügung bestätigt. Auch die Bundesärztekammer habe sich dem "dem Grundsatz nach" angeschlossen. Dennoch bestehe in der Praxis zum Teil noch Verunsicherung im Umgang mit Patientenverfügungen. Das betreffe insbesondere ihre Bindungswirkung und Geltung in allen Stadien einer Erkrankung.
Die Unterzeichner des Gesetzentwurfes betonen, dass Patientenverfügungen als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts in den vergangenen Jahren immer bedeutendsamer geworden seien. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid hat bereits im Jahre 2000 ergeben, dass 81 Prozent der Befragten für den Fall ihrer Entscheidungsunfähigkeit vorsorgen wollten. Rund 8,6 Millionen Menschen haben bis heute tatsächlich eine Patientenverfügung verfasst, schätzt die Deutsche Hospiz Stiftung.
Wird der vorliegende Entwurf Gesetz, würde die Patientenverfügung als Rechtsinstitut im Betreuungsrecht verankert werden. Um baldmöglichst Rechtssicherheit für Patienten, Betreuer und Bevollmächtigte, aber auch für die Ärzte herzustellen, wollen die Verfasser das Gesetz so schnell wie möglich in Kraft treten lassen. Mit einer Entscheidung wird jedoch erst im Herbst gerechnet.
In den Reihen des Bundestages regen sich gegen die Pläne jedoch große Widerstände. Bisher lehnt die Mehrheit der Abgeordneten den Gesetzentwurf ab. Unions-Vizefraktionschef Wolfgang Bosbach betonte am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur, es sei nicht möglich, alle Zweifelsfragen vorausschauend so zu regeln, dass rechtlich keine Unklarheiten blieben. Nicht wenige Abgeordnete seien der Meinung, dass sich der Gesetzgeber mit diesem schwierigen Thema verhebe.
Bosbach arbeitet daher zusammen mit den Abgeordneten René Röspel (SPD), Josef Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Otto Fricke (FDP) parallel an einem eigenen Gesetzentwurf zu einem Patientenverfügungsgesetz. Diesen Entwurf unterstützen bisher weitere 50 Abgeordnete, darunter Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD).
Ziel des Gesetzentwurfes ist nach Angaben der Verfasser ebenfalls "die Klarstellung der Rechtslage und die Schaffung von Verhaltenssicherheit für alle Beteiligten". Nötig sei jedoch ein praktikables Verfahren, das Irrtum und Missbrauch ausschließe, aber keine unnötigen bürokratischen Prozeduren schaffe.
Insgesamt geht es den Abgeordneten um Bosbach um einen "schonenden Ausgleich" zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen und der Schutzpflicht des Staates für das Leben. Eine Entscheidung des Betroffenen gegen lebensverlängernde Maßnahmen im Sterben sei zu respektieren, heißt es. Die Grenzen zu aktiver Sterbehilfe dürften aber nicht verwischt werden.