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Nach der Eskalation der Gewalt gibt es Zeichen für eine Annäherung der Konfliktparteien
"So langsam sehe ich Licht am Ende des Tunnels", sagte Kofi Annan vergangene Woche in Nairobi. Derzeit vermittelt der ehemalige UN-Generalsekretär in der schlimmsten politischen Krise Kenias seit der Unabhängigkeit des Landes 1963. Der Streit zwischen Kenias Regierung und der Oppositionspartei Orange Democratic Movement (ODM) forderte in den vergangenen Monaten mehr als 1.000 Todesopfer, 300.000 Menschen wurden vertrieben und ganze Landstriche verwüstet. Präsident Mwai Kibaki und Oppositionsführer Raila Odinga hatten bei den Präsidentschaftswahlen am 27. Dezember beide den Sieg für sich beansprucht und ihre Anhänger im Streit aufeinander gehetzt. Um ihre Gefolgschaft zu mobilisieren, griffen sie auch auf ethnische Rivalitäten zurück und fachten den Zorn weiter an. Die Büchse der Pandorra schien geöffnet, das Land in akuter Gefahr eines ethnischen Bürgerkriegs.
"Die wichtigsten Parteien Kenias formieren sich entlang von Volksgruppen", meint Stefan Mair von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, "nur konnten die vielfältigen ethnischen und sozialen Spannungen lange unter der Eskalationsschwelle gehalten werden." Dies war nun anders. Die 34 Millionen Menschen umfassende Bevölkerung Kenias setzt sich zu 22 Prozent aus Kikuyu zusammen, auf die sich Präsident Kibaki stützt. Die anderen Bevölkerungsgruppen, darunter die Luhya, die Luo, die Kalenjin und die Kamba, die alle zwischen elf und 14 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, werfen dem Präsidenten Korruption, Vetternwirtschaft und Machtversessenheit vor. Sie fühlen sich seit Jahrzehnten bei der Verteilung von Wohlstand, Land und Macht benachteiligt.
Oppositionsführer Raila Odinga, selbst ein Luo, konnte diese Enttäuschung bei den Wahlen für eine Mehrheit seiner Partei nutzen - bis das Ergebnis ganz offensichtlich gefälscht wurde. Europäische Wahlbeobachter stellten grobe Unregelmäßigkeiten bei den Auszählungen fest, in einigen Regionen konstatierten sie eine Wahlbeteiligung von 115 Prozent. Es folgten Monate blutiger Auseinandersetzungen.
Nun zeichnet sich eine Lösung ab, die in der Machtteilung bestehen soll. Die Schaffung des Postens eines Premierministers könnte den Durchbruch bei den Verhandlungen bringen. Dafür müsste die Opposition ihre Forderung nach einem Rücktritt Kibakis aufgeben. Raila Odinga würde zum Premierminister ernannt und beide Parteien könnten die wichtigsten Ministerien untereinander aufteilen. Langfristig würde eine neue Verfassung verabschiedet, die die Machtfülle des Präsidenten beschneidet und die Gewaltenteilung verbessert.
Doch der Kenia-Experte Stefan Mair ist skeptisch. "Erstens sind die Details noch unklar, also wer welche Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und Funktionen übernimmt. Und dann muss eine Mehrheit im Parlament gefunden werden, die diese Verfassungsänderung durchsetzt. Und schließlich muss sich die Machtteilung dann noch in der Praxis bewähren." Mair sieht zwar einen Durchbruch bei den Verhandlungen, nicht aber in der nachhaltigen Lösung der Probleme. "Afrikanische Politiker sind nicht besser oder schlechter als europäische, amerikanische oder asiatische", so Mair, "nur fehlt es den Institutionen wie Regierung, Parlament oder Justiz an Geltungskraft, wenn einzelne Persönlichkeiten versagen."
Die Lage in Kenia bleibt angespannt. Bewaffnete Gruppen stehen auf beiden Seiten bereit. Die Oppositionspartei fordert, in den nächsten Wochen das Parlament einzuberufen, um die notwendigen Veränderungen in die Verfassung aufzunehmen. Andernfalls würde sie wieder zu Protesten aufrufen.