KLIMA-PAKET
Debatte über Ergebnisse des EU-Gipfels. Europaparlament einigt sich auf neue Richtlinien
Mit der Europäischen Union verhalte es sich wie mit den Kirchen, konstatierte Michael Roth (SPD): Zu Weihnachten und in Krisenzeiten seinen sie gefragt. "Es ist gut, dass die Union unter Beweis gestellt hat, dass sie funktioniert, sagte Roth am 18. Dezember in der Aussprache zur Regierungserklärung zum EU-Gipfel in Brüssel. Kurz zuvor hatte auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) der Union und vor allem der franzöischen Ratspräsidentschaft ein gutes Zeugnis in Sachen Krisenmanagement ausgestellt. Europa hatte "ganz außerordentliche Belastungen und Bewährungsproben zu bestehen", sagte Steinmeier mit Blick auf den Konflikt in Georgien, die Finanzmarktkrise, den Streit um das Konjunkturprogramm, die Einigung auf das Klimapaket und die Krise um den noch ausstehenden EU-Reformvertrag von Lissabon. "Als es darauf ankam, haben wir als Europäer gemeinsam gehandelt", sagte Steinmeier.
Als ein Beispiel nannte er das in Brüssel vereinbarte Konjunkturprogramm in Höhe von 200 Milliarden Euro. Für ihn ein "starkes Signal". Deutschland, betonte Steinmeier, werde bei einem weiteren Konjunktureinbruch kraftvoll und massiv handeln. Als wichtige Investitionsziele nannte er Maßnahmen zur Energieeffizienz und für den Ausbau von Breitbandnetzen. "Noch nicht einmal die Hälfte der Mitgliedstaaten hat vergleichbare Maßnahmen wie wir" sagte der Außenminister und ging damit indirekt auf die Kritik anderer EU-Staaten ein, dass sich Deutschland in der Krise zu zögerlich verhalten habe.
Auch in Sachen Klimaschutz habe die "EU Wort gehalten". Obwohl manche die Gunst der Stunde nutzen wollten, das Klimapaket auszuhebeln, habe man sich sowohl auf konkrete Klimaziele als auch auf die Einführung eines gemeinsamen europäischen Emissionshandels geeinigt. "Das Ergebnis beweist, dass man Klimaschutz und Arbeitsplatzschutz nicht gegeneinander ausspielen muss", sagte Steinmeier. Er verteidigte damit die Entscheidung, im Klimapaket Sonderregeln für energieintensive Betriebe und für Osteuropa vorzusehen. Trotz aller Ausnahmen bleibe Europa weiterhin "Vorreiter beim Klimaschutz".
Marie-Louise Dött (CDU/CSU) sieht in dieser Frage den Führungsanspruch der EU ebenfalls bestätigt und die EU damit auf einem guten Weg für die Kioto-Nachfolgekonferenz in Kopenhagen. Sie verteidigte die Zugeständnisse an die Industrie: "Wir haben dafür gesorgt, dass keine Standortverlagerungen dorthin erfolgen, wo es überhaupt keinen Klimaschutz gibt", erklärte Dött.
Ganz anders sieht das die die Opposition: Als eine "Blamage für die Bundesregierung" und "Gesundbeterei" bezeichnete Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) die Gipfelergebnisse Die vereinbarten Klimaziele sind nach ihrer Meinung eine "Luftverpackung" und "Was auf diesem Klimapaket drauf steht, ist gar nicht drin." Als ein Beispiel nannte sie den Emissionshandel, der auf dem Gipfel ausgehöhlt worden sei. Da 90 Prozent der Industrie ausgenommen worden seien, bestünde für sie kein Anreiz mehr in kohlenstoffarme Technik zu investieren.
Auch die FDP kritisierte: "Die ganzen
Sonderregelungen und Ausnahmen konterkarrieren doch die Ziele, die
richtigen Ziele, die gesteckt worden sind", so Marcus Löning.
Er brachte die Ergebnisse des Gipfels auf die einfache Formel:
"Scheckbuch und Chips". Scheckbuch, weil er fürchtet, dass der
deutsche Steuerzahler für die Ausnahmeregelungen wie zum
Beispiel die Modernisierung der polnischen Kraftwerke zur Kasse
gebeten werde. Und "Chips", weil ihn die Gipfelergebnisse an einen
Marathonläufer erinnerm, der zwar die richtigen Ziele bei
seiner Ernährung verfolge, aber doch kurzfristig eine Ausnahme
mache - und Chips esse.
Oscar Lafontaine (Die Linke) zeigte Verständnis, dass man auf
einem Gipfel auch Kompromisse schließen müsse. In punkto
Umwelt seien für ihn Investitionen in den technologischen
Fortschritt und damit ein höherer Anteil an erneuerbarer
Energie zwar auch der richtige Weg. Dafür müssten aber in
Deutschland erstmal die technischen und strukturellen
Voraussetzungen geschaffen werden. "Das heißt für uns:
gesamtstaatliche Verantwortung für die Netze und
Dezentralisierung der Energieversorgung", sagte Lafontaine.
In Straßburg ging es in der vergangenen Woche aber erstmal um die Ziele. Den Verhandlungsführern im Europaparlament war bei der Abschlussdebatte im Europaparlament die Erschöpfung anzusehen.Wochenlang hatten sie in zähen Nachtsitzungen mit Vertretern des Rates und der EU-Kommission über Grenzwerte, Übergangsfristen und Langzeitziele beim Klimapaket verhandelt. Am 17. Dezember verabschiedete das EU-Parlament dann sechs Richtlinien. Damit sollen die schädlichen Treibhausgase bis 2020 um ein Fünftel reduziert werden. Die irische Konservative Avril Doyle, die das Gesetz zum Emissionshandel betreut hatte, verteidigte noch einmal das Hauruck-Verfahren, das viele Abgeordnete als undemokratisch kritisiert hatten.
"Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Alle Beteiligten aus den Institutionen haben klar verstanden, dass Europa diesen Prozess vorantreiben muss, um rechtzeitig vor der 15. Weltklimakonferenz in Kopenhagen ein Ergebnis zu haben."
Auch der französische Umweltminister Jean-Louis Borloo verteidigte die erreichten Ergebnisse und sieht eine wichtige Signalwirkung für die Konferenz von Kopenhagen: "Die Industrie hat unsere Botschaft verstanden. Die Bürger haben unsere Botschaft verstanden. Jetzt hört uns die ganze Welt zu."