RUSSLAND
Das neue Bündnis des Ex-Schachweltmeisters vereint nur einen Teil der Opposition
Als das neue Sammelbecken der Demokraten im Land bezeichnet sich die Mitte Dezember von Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow und Ex-Vizepremier Boris Nemzow in einem Hotel bei Moskau gegründete Oppositions-Bewegung "Solidarnost". Doch noch ist unklar, ob die neue Organisation über das Anfangsstadium hinauskommt. Denn wichtige Personen, wie die Führung der sozialliberalen Partei Jabloko und Ex-Ministerpräsident Michail Kasjanow mit seiner Volksdemokratischen Union, waren bei Gründung von Solidarnost nicht dabei. Innerhalb der neuen Organisation ringt man noch um Geschlossenheit. Der vorgelegte Programmentwurf "300 Schritte in die Zukunft" wurde wegen zahlreicher Änderungsanträge gar nicht erst verabschiedet.
Pawel Palaschtschenko, Politologe bei der Gorbatschow-Stiftung, meint, wenn sich die wirtschaftliche Krisen-Situation im Frühjahr 2009 zuspitzt, "gibt es in der Bevölkerung eine große Nachfrage nach oppositionellen Parteien und Bewegungen." Außer Solidarnost hätten dann auch andere Organisationen wie die KPRF und die noch zersplitterten Sozialdemokraten eine Chance. Dagegen meint der unabhängige linke Publizist Boris Kagarlitzki, bei einer Zuspitzung der Wirtschaftskrise habe keine der existierenden Oppositionsparteien Aussicht auf Erfolg, "am allerwenigsten die Solidarnost". Kasparow täusche die Öffentlichkeit. In den letzten zwei Jahren seien "mit den gleichen Leuten" bereits vier Organisationen gegründet worden. Wenn die Krise sich verschärfen sollte, rechnet Kagarlitzki daher mit spontanen Protesten der Bevölkerung und der Bildung völlig neuer Oppositionsparteien.
Auch Lew Gudkow, Direktor des Lewada-Meinungsforschungsinstituts, glaubt, dass Solidarnost in nächster Zeit "nur auf ein begrenztes Publikum hoffen kann. Alles hängt vom Zugang zu den Medien ab." Wenn Solidarnost nur die Interessen kleiner liberaler Gruppen im Mittelstand vertritt, "wird sie nur von fünf Prozent der Bevölkerung unterstützt." Die Entwicklung einer neuen Oppositionspartei werde nicht nur durch die traditionelle Passivität der Russen behindert, sondern auch durch die negativen Erfahrungen mit liberaler Wirtschaftspolitik in den 1990er Jahren. "Solidarnost muss sehr viel tun, um das Vertrauen der Menschen zurück zu gewinnen."