POLEN
Bundestagspräsident Norbert Lammert reagiert auf Kritik des Deutschlandbeauftragten Bartoszewski an Erika Steinbach
Auf ihren Sitz im Stiftungsrat "Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung" hat Erika Steinbach (CDU), Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), eigentlich schon am 4. März verzichtet. Dennoch zieht die Kontroverse um ihre Nominierung - und damit ihre Person - auch Tage danach noch weitere Kreise. Für teilweise heftige Diskussionen sorgten vor allem Äußerungen des früheren polnischen Außenministers und heutigen Deutschlandbeauftragten Wladyslaw Bartoszewski. Er hatte Verteidiger der deutschen Bundestagsabgeordneten unter anderem als "Narren" bezeichnet, wenn sie behaupteten, es gebe keinen Grund, Steinbach für den Stiftungsrat abzulehnen.
In einem offenen Brief in der "Süddeutschen Zeitung" vom 7. März reagierte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) auf Bartoszewskis Äußerungen. Es sei zwar sein Recht, Steinbach die Eignung als Repräsentantin des Bundes der Vertriebenen im Stiftungsrat abzusprechen. Er wandte jedoch ein, dass "das Bild dieser engagierten Frau in der polnischen Öffentlichkeit zum Teil durch eine unvollständige, manchmal irreführende oder grob dämonisierende Berichterstattung entstanden ist". Lammert bedauerte, dass sich daran "auch politische Repräsentanten in beiden Ländern beteiligt haben". Hinsichtlich der Ankündigung Steinbachs, trotz ihrer Nominierung auf ihren Sitz im Stiftungsrat bis auf weiteres zu verzichten, sagte Lammert, "dass ihre Haltung und ihr Verhalten souveräner ist als die mancher ihrer Kritiker". Bartoszewski müsse seine Ansicht nicht teilen, erklärte Lammert. "Aber darf unter Demokraten ein doch hoffentlich konstruktiver Streit so weit gehen, dass man Andersdenkende als "Narren" bezeichnet?", gab Lammert in seinem Brief zu bedenken.
Bartoszewski äußerte drei Tage später in einem Antwortschreiben "Bedauern und Verwunderung sowohl über den Inhalt Ihres Briefes als auch über die Form seiner Veröffentlichung". Er bemängelte, dass darin bekannte und wesentliche Argumente weggelassen worden seien. Bartoszewski räumte aber ein, Äußerungen gemacht zu haben, die "vielleicht nicht immer diplomatisch ausgewogen waren".
In dem Brief wiederholte er seine Kritik an Steinbach, die, so Bartoszewskis Eindruck, gegenüber den Polen eine "konsequent unfreundliche Haltung" zeige, die sich seit vielen Jahren in konkreten Handlungen niederschlagen würde. Dafür gebe es aus seiner Sicht zahlreiche Beispiele. "Die Wahrheit muss das Fundament unserer Beziehungen sein", schreibt der 87-Jährige, der 1995 als polnischer Außenminister vor dem Bundestag gesprochen hatte. Bereits im Vorfeld des Briefwechsels hatte der Bundestagspräsident die Kontroverse um den Stiftungsrat mit seinem polnischen Amtskollegen, Sejm-Marschall Bronislaw Komorowski, erörtert. Anfang Juni wollen sich unter beider Leitung erneut die Präsidien von Bundestag und Sejm treffen. Darüber hinaus werden die Beziehungen zwischen beiden Ländern auf parlamentarischer Ebene gepflegt, sowohl bei gemeinsamen Ausschusssitzungen als auch im Rahmen der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe. In einer gemeinsamen Erklärung Ende 2006 hatten die Abgeordneten betont, dass Fragen des Umgangs mit der Vergangenheit die gemeinsame Zukunft nicht belasten dürften. Bilateral dürfte auch die Kontroverse um die Frage des Gedenkens besprochen werden, wenn am 22. März eine Delegation polnischer Abgeordneter für fünf Tage zu Besuch nach Deutschland kommt.
Wie gemeinsames Erinnern aussehen kann, wollen die Parlamente 2009 zeigen: Anlässlich des 20. Jahrestages der ersten als frei geltenden Parlamentswahlen in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg werden am 17. Juni beide Präsidenten am Reichstagsgebäude ein Denkmal einweihen - ein Mauerstück der Danziger Werft.
Und auch in Polen wird bald ein symbolisches Stück deutscher Geschichte zu sehen sein. In der Gedenkstätte Kreisau soll anlässlich der im Jahr 1989 abgehaltenen Versöhnungsmesse ein Stück Berliner Mauer aufgestellt werden.