Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG (DB AG) ist nach Meinung der Mehrheit der Experten, die am Mittwoch, dem 23. Mai 2007, in einer öffentlichen Anhörung im Verkehrsausschuss gehört wurden, nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Lediglich Professor Hubertus Gersdorf, Verfassungsrechtler an der Universität Rostock, bezeichnete den Entwurf uneingeschränkt als "verfassungskonform". Verfassungsrechtlicher Dreh- und Angelpunkt, da waren sich die Experten einig, ist Artikel 87 e des Grundgesetzes. Darin ist die alleinige Verantwortung des Bundes für die Eisenbahninfrastruktur festgeschrieben.
Artikel 87e sei nicht wegzudiskutieren
Es komme einer Quadratur des Kreises gleich, so Professor Robert Uerpmann-Wittzack, Verfassungsrechtler an der Universität Regensburg, die Bahn privatwirtschaftlich zu betreiben - mit einem wirtschaftlichen Eigentum an der Infrastruktur - wobei der rechtliche Eigentümer des Schienennetzes der Bund bleiben solle. "Ich sehe da keine Lösung", so Uerpmann-Wittzack, "man kann Artikel 87e nicht wegdiskutieren".
Letztentscheidung des Bundes müsse gesichert werden
Auch nach Meinung von Professor Georg Hermes, Verfassungsrechtler an der Universität Frankfurt/Main, widerspricht der vorliegende Entwurf dem Grundgesetz. Entscheidend ist für die Experten, dass der Bund den im Grundgesetz festgeschriebenen Einfluss auf die Infrastruktur haben muss. Das sei im aktuellen Entwurf nicht gegeben, so Ferdinand Kirchhof, Verfassungsrechtler an der Universität Tübingen. "Die Letztentscheidung des Bundes müsste gesichert werden - zivilrechtlich oder verfassungsrechtlich", sagte Kirchhof. Nur so könne eine verfassungstreue Lösung erreicht werden.
Referententwurf sei keine gute Grundlage für Kapitalprivatisierung
Auch Professor Michael Fehling, Verfassungsrechtler der Bucerius Lawschool in Hamburg, beurteilte die im Referentenentwurf vorgesehenen Einflussmöglichkeiten des Bundes als "zu schwach ausgebildet". Der vorliegende Entwurf versuche aus zwei Sachen - Infrastrukturverantwortung des Bundes und wirtschaftliches, börsennotiertes Agieren - eine zu machen. Dies bringe "erhebliche Unsicherheiten" mit sich und sei keine gute Grundlage für eine Kapitalprivatisierung, so Professor Rainer Hüttemann, Gesellschaftsrechtler an der Universität Bonn.
Entwurf werde von Rechtsrealität eingeholt
Auch Professor Detlef Kleindiek, Gesellschafts- und Bilanzrechtler an der Universität Bielefeld befand: "Das sind zwei Dinge, die sich nicht in Einklang bringen lassen." Für ihn, so der Jurist, mache es den Eindruck, als werde mit dem Referentenentwurf, der aus dem Formelkompromiss des Bundestages aus dem November des vergangenen Jahres resultiere, gerade von der Rechtsrealität eingeholt. "Ich fürchte, das ist so nicht machbar", sagte der Gesellschafts- und Bilanzrechtler.
Neuanfang sei der deutlich bessere Weg
Auf die aus Reihen den Abgeordneten geäußert Frage, ob der vorliegende Referentenentwurf verbesserungsfähig sei oder es eines neuen Entwurfs bedürfe, zeigten sich die Experten zurückhaltend. Die meisten hielten eine Verbesserung zwar grundsätzlich theoretisch für möglich, ein Neuanfang ist ihrer Meinung nach aber deutlich bessere weg - gerade, so Georg Hermes, aus europarechtlicher Perspektive.
Liste der Sachverständigen