Vorsitzende und Mitglieder der Fachausschüsse aus 18 Ländern beraten sich
Bildung, Wissenschaft und Forschung - diese drei Themen standen am 10. und 11. Juni 2007 im Mittelpunkt einer Konferenz im Deutschen Bundestag. Im Paul-Löbe-Haus kamen die Vorsitzenden der Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsausschüsse der Parlamente der EU-Mitgliedsländer, des Europäischen Parlaments und der EU-Beitrittskandidaten zusammen. Welchen Stand hat Europa in diesen Bereichen und was wird beziehungsweise muss zukünftig getan werden, um Europa hier an die Spitze zu bringen – darüber wurde eineinhalb Tage in Berlin diskutiert.
Während die Touristen an diesem heißen Sommertag im Parlamentsviertel an der Spree die Sonne genießen, findet ein paar Meter entfernt im Paul-Löbe-Haus ein Treffen statt, das es so noch nie gegeben hat: 27 Vorsitzende und Mitglieder der Fachausschüsse aus 18 Ländern, die sich mit Bildung, Wissenschaft und Forschung befassen, sitzen zusammen an einem runden Tisch. Die Liste der Nationen, die unter den Namen der Vertreterinnen und Vertreter zu lesen sind, ist lang: Belgien, Estland, Finnland, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Niederlande, Österreich, Rumänien, Slowenien, Spanien, Ungarn, Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, Zypern sowie die EU-Beitrittskandidaten Kroatien und Mazedonien. Sie alle sitzen dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages gegenüber.
Bundestagsvizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) eröffnet die Konferenz. Erfreut über die rege Teilnahme betont sie die Wichtigkeit von internationalem Erfahrungsaustausch. Dieses sei das erste Treffen der Ausschussmitglieder zu Bildungs-, Forschungs- und Technikthemen, fügt die Vorsitzende des Bildungs- und Forschungsausschusses Ulla Burchardt (SPD) noch hinzu. Andere Ausschüsse wie zum Beispiel der Auswärtige Ausschuss und der Landwirtschaftsausschuss würden derartige Treffen bereits erfolgreich praktizieren. Nun sei es ein Experiment, dieses auch auf die Bildungs-, Wissenschaft- und Forschungsausschüsse Europas auszuweiten.
Lissabon-Strategie: Europa an die Spitze bringen
Ein zentrales Thema der Konferenz ist die so genannte Lissabon-Strategie. Im März 2000 hatten sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten im Rahmen des EU-Gipfeltreffens in Lissabon über ein gemeinsames Ziel verständigt. Demnach soll die Europäische Union bis 2010 zu einem wettbewerbsfähigen und dynamischen, wissensbasierten Wirtschaftsraum werden. Hier soll es nach den Zielen der Lissabon-Strategie ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt geben.
Im Bildungsbereich steht im Rahmen der Lissabon-Strategie seit diesem Jahr das „Programm für lebenslanges Lernen 2007-2013“ im Mittelpunkt. Ziel ist es, „dass sich die Gemeinschaft […] zu einer fortschrittlichen, wissensbasierten Gesellschaft entwickelt“. Erreicht werden soll dieses unter anderem durch die Förderung von Kreativität, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungsfähigkeit. Außerdem soll das Erlernen von Sprachen gefördert werden und die allgemeine und berufliche Bildung auf einem qualitativ hohen Niveau stattfinden. Die persönliche Entfaltung spielt dabei ebenso eine wichtige Rolle wie die Gleichbehandlung von Frauen und Männern – und das in allen Lebensabschnitten. Das Aktionsprogramm umfasst deshalb mehrere verschiedene europäische Einzelprogramme, die mit knapp sieben Milliarden Euro gefördert werden.
Gute Verständigung - trotz Sprachenvielfalt
Der Austausch verschiedener Standpunkte ist das wichtigste der Konferenz – die Verständigung muss daher reibungslos funktionieren. Dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer überhaupt so gut austauschen können, ist den Frauen und Männern zu verdanken, die an diesen beiden Tagen im Europasaal des Löbe-Hauses erst auf den zweiten Blick zu erkennen sind: die Dolmetscher. Sie sitzen in verglasten Kabinen hinter den Teilnehmern und übersetzen die Wortbeiträge simultan. Über Kopfhörer und funkgesteuerte Empfangsgeräte kann die Konferenz somit auf Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch verfolgt werden.
Attraktiver Bildungsraum muss geschaffen werden
Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU/CSU) ist eine der
Gastrednerin bei der zweitägigen Konferenz. Sie betont ihre
Unterstützung der Lissabon-Strategie und fordert diese auch
von den Parlamenten anderer Länder. Schavan vergleicht Europa
mit den USA: Europa schneide im Vergleich mit den USA und
Ländern in Teilen Asiens nicht so gut ab wie erwartet. Deshalb
müsse hier ein attraktiver Bildungsraum geschaffen
werden.
Der EU-Kommissar für allgemeine und berufliche Bildung, Kultur
und Mehrsprachigkeit Ján Figel’ ist der Ansicht, dass
bei der Umsetzung schon einiges erreicht wurde. Es müsse gut
investiert werden, sagt er in seiner Rede vor den Vertreterinnen
und Vertretern der europäischen Fachausschüsse. Es gehe
nicht darum, immer mehr Geld auszugeben, sondern es gezielt und
richtig auszugeben. Die Modernisierung der Universitäten steht
für Figel’ dabei an erster Stelle. Die Qualität der
Bildung müsse verbessert und die Individualität
gefördert werden – so, wie es das „Programm
für lebenslanges Lernen“ vorsehe.
Auf Modernisierung setzt ebenso Maria Agostina Pellegata, die
stellvertretende Vorsitzende des ständigen Ausschusses
für Kultur, Wissenschaft und Bildung in Italien. Auch wenn es
Schwierigkeiten gebe, müsse diese vorangetrieben werden.
Petar Selem, Vertreter des EU-Beitrittskandidaten Kroatien,
befürwortet wie seine Vorredner die Lissabon-Strategie. Sein
Land müsse diesbezüglich vor einem Eintritt in die EU
noch einiges tun. Selem hält es aber bereits für einen
wichtigen Schritt, dass die Oberschule in Kroatien mittlerweile
verpflichtend sei.
Gelungene Premiere
Ulla Burchardt (SPD), Vorsitzende des Bildungs- und
Forschungsausschusses des Deutschen Bundestages, zieht nach der
Konferenz eine positive Bilanz. „Eine Premiere, die gelungen
ist“, sagt Burchardt, die Konferenz-Gastgeberin. Sie freue
sich über die große positive Resonanz der Kolleginnen
und Kollegen, sagte sie gegenüber mitmischen.de. „Es
wäre schön, wenn unsere Konferenz zu einem
regelmäßigen parlamentarischen Austausch über die
für die Gestaltung Europas wichtigen Bereiche der Bildung,
Wissenschaft, Forschung und auch der Technikfolgenabschätzung
führen würde“, sagte Burchardt.
Ein Nachfolgetreffen könnte etwa in Portugal, Slowenien oder
Frankreich stattfinden. Nach Deutschland übernehmen diese
Länder die nächsten europäischen
Ratspräsidentschaften.