Konferenz vor dem G8-Gipfel
Kurz vor Beginn des G8-Gipfels in Heiligendamm kamen im Deutschen Bundestag über 150 Parlamentarier aus aller Welt zu einer Konferenz zusammen. Der Titel: "Conference on the Economic Rewards of Investing in HIV/Aids Prevention and Health". Die Konferenzteilnehmer beschäftigten sich mit den wirtschaftlichen Vorteilen, wenn in Gesundheitsmaßnahmen und Vorbeugung gegen HIV/Aids investiert wird.
Neben Parlamentariern aus EU- und G8-Ländern waren auf der Konferenz am 30. und 31. Mai 2007 auch Abgeordnete aus 15 afrikanischen Ländern vertreten, daneben Vertreter der Weltbank, verschiedener UN-Organisationen und der African Union sowie Nichtregierungsorganisationen und zahlreiche Experten. Schon der Konferenz-Titel legt nahe, dass der Kampf gegen die Seuche Aids ein komplexes und drängendes Problem ist: Weltweit sind fast 40 Millionen Menschen HIV-positiv, jährlich stecken sich rund vier Millionen Menschen neu mit dem Virus an. Zwei Drittel von ihnen leben in Afrika südlich der Sahara.
Veranstalter der Konferenz waren zusammen mit dem Europäischen Parlamentarier-Forum für Bevölkerung und Entwicklung (EPF) und der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) der Parlamentarische Beirat der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung. Der Beirat setzt sich aus 32 Mitgliedern des Deutschen Bundestages zusammen. Der im Februar 2003 gegründete Beirat arbeitet fraktions- und ausschussübergreifend. Die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) dient ihm als Sekretariat und unterstützt seine Arbeit inhaltlich und organisatorisch. Die Vorsitzende ist Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU), Stellvertretende Vorsitzende sind Christel Riemann-Hanewinckel (SPD), Karl Addicks (FDP) und Ute Koczy (Bündnis 90/Die Grünen).
Beiratsvorsitzende Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) hat die Konferenz mit veranstaltet und ist zufrieden mit dem Ergebnis: Wir konnten uns direkt austauschen. Es gab maximale Information durch die afrikanischen Parlamentarier auf der Konferenz", sagte sie gegenüber der Presse im Anschluss an die Konferenz. Schon 2005 hatten sich die G8-Staatschefs in Gleneagles dazu verpflichtet, bis 2010 einen universellen Zugang zu HIV-Prävention sowie zur Behandlung und Pflege aller Aidskranken zu gewährleisten. "Trotz dieser Versprechen haben heute noch immer mehr als fünf Millionen Aidskranke in Entwicklungsländern keine Möglichkeit, sich behandeln zu lassen", mahnt Pfeiffer. "Wir Parlamentarier fühlen uns für diese Menschen verantwortlich und wollen uns mit unserem Mandat dafür einsetzen, dass die Regierungen ihre Versprechen einlösen."
Die Abgeordneten im Beirat setzen sich für einen angemessenen politischen und finanziellen Beitrag Deutschlands zur Verbesserung der Sexuellen und Reproduktiven Gesundheit und Rechte (SRGR) von Frauen, Männern und Jugendlichen überall auf der Welt ein. Das Ziel des Beirats ist die Umsetzung des so genannten Kairoer Aktionsprogramms von 1994. Bei der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo 1994 hatten 179 Staaten ein Aktionsprogramm verabschiedet, in dem neue Richtlinien für die internationale Bevölkerungspolitik festgelegt wurden. Demnach soll bis zum Jahr 2015 allen Menschen der Zugang zu Aufklärung und Familienplanung, zu Schutz vor HIV/Aids sowie zu Gesundheitsversorgung rund um Schwangerschaft und Geburt ermöglicht werden.
Sexuelle und reproduktive Gesundheit, insbesondere von Frauen, ist ein Schlüsselfaktor beim Thema HIV/Aids. Die Seuche wird zunehmend jung und weiblich. Frauen infizieren sich aus biologischen, wirtschaftlichen und sozialen Gründen leichter mit HIV als Männer. Wenn sie schwanger werden, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie das Virus an das ungeborene Kind weitergeben. Ruth Genner, Schweizer Abgeordnete und Mitglied des Europäischen Parlamentarier-Forums für Entwicklung und Weltbevölkerung (EPF), betont deshalb die Wichtigkeit der Unterstützung von Frauen. Unterstützung von Frauen durch Aufklärung, Bildung und die wirtschaftliche Förderung, zum Beispiel durch Kleinstkredite, ist ein Schub im Kampf gegen HIV/Aids.
Die Realität sieht jedoch anders aus: Jährlich sterben weltweit eine halbe Million Frauen während der Schwangerschaft, während der Geburt oder danach. Hier müsse angeknüpft werden, um HIV/Aids zu bekämpfen, sagt Genner. Dahinter steht die Erkenntnis, dass die Seuche nicht isoliert eingedämmt werden kann. Wer Hunger, fehlende Versorgung mit Trinkwasser und sanitären Anlagen, vermeidbare Krankheiten bekämpft und sich für mehr Bildung und Gleichberechtigung einsetzt, bekämpft zugleich HIV/Aids. Anders gesagt: Die Programme für Trinkwasser, Nahrung, Bildung und alle Bemühungen gegen Aids müssen miteinander verknüpft werden.
Bei der Finanzierung des Kampfes klafft jedoch eine riesige Finanzierungslücke. 8,3 Milliarden US-Dollar stehen derzeit für die Behandlung der schon Infizierten und für Prävention zur Verfügung. Nicht weniger als weitere 9 Milliarden Dollar würden in diesem Jahr für nachhaltige Programme gebraucht, sagt Dr. Jörg F. Maas, Geschäftsführer der DSW. Angesichts des bevorstehenden G8-Gipfels hat Maas gemischte Gefühle. Einerseits sei er froh, dass das Thema Afrika und HIV auf der politischen Tagesordnung angekommen sei. Andererseits könnten die Forderungen von Gleneagles nicht eingehalten werden, wenn bis 2010 nicht 23 Milliarden im Jahr zur Verfügung stehen - denn bis dahin werden sich immer mehr Menschen neu angesteckt haben, immer mehr Geld werde gebraucht. Nicht nur, aber auch für etwas simples wie Kondome: Momentan stehen rechnerisch in Afrika nur sechs Kondome pro Mann im Jahr durch Entwicklungshilfegelder zur Verfügung.
Ist der Kampf gegen Aids nicht bald erfolgreich, droht den besonders stark betroffenen Staaten nicht nur eine soziale Katastrophe, sondern auch eine wirtschaftliche: Wenn 15 Prozent der Bevölkerung eines Landes HIV-positiv sind, sinkt das Bruttosozialprodukt des Landes um ein Prozent pro Jahr. Neun Länder werden diese Grenze bis 2010 erreicht haben.
Letztlich reicht es noch nicht einmal, die Mittel einfach aufzustocken. Das Geld muss auch sinnvoll eingesetzt werden, betonen die Veranstalter der Konferenz. Vor Ort muss Fachpersonal und Infrastruktur vorhanden sein, damit Leid nicht gelindert, sondern vermieden werden kann, erklärt Pfeiffer auf der Pressekonferenz. "Wir waren in Sambia, um uns zu informieren. Dort wird zwar Geld gebraucht - aber vor allem auch Infrastruktur." Ärzte und anderes Fachpersonal wandert aus, viele afrikanische Länder leiden unter einem so genannten "Brain Drain" - dem Wegzug von qualifizierten Kräften.
Die Geberländer müssen also die Mittel bereitstellen und sich zugleich besser koordinieren, um die Mittel gezielt und sinnvoll einsetzen zu können. Das ist eine Herausforderung - doch der Kampf gegen Aids liegt auch im Interesse der reichen Nationen. "HIV ist sozialer Brennstoff, der uns irgendwann einholt", sagt Pfeiffer auf der Pressekonferenz. "Armut ist der beste Nährboden für Terrorismus. Die Bekämpfung von HIV ist in unserem eigenen Interesse."
Das Abschlussdokument der Konferenz mit der zentralen Forderung, dass Geberländer zehn Prozent ihrer Entwicklungshilfe für reproduktive Gesundheitsprogramme reservieren, wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel im Vorfeld des G8-Gipfels überreicht.