Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie
Ob ein sozialverträglicher Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlebergbau im Jahr 2018 oder eventuell auch schon eher möglich wäre, ist unter Sachverständigen umstritten. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung im Wirtschaftsausschuss am Montag, dem 22. Oktober 2007, deutlich.
WebTV-Aufzeichnung: siehe rechts
Grundlage der Diskussion waren zwei wortgleiche
Gesetzentwürfe der Bundesregierung (
16/6566) und der Koalitionsfraktionen (
16/6384). Darin werden unter anderem die
Beiträge des Bundes zur Finanzierung des Auslaufprozesses der
Steinkohleförderung ab 2009 geregelt. Im Jahr 2012 ist eine
Überprüfung der getroffenen Vereinbarungen durch den
Bundestag vorgesehen. Ebenfalls auf der Tagesordnung standen
Anträge der FDP-Fraktion (
16/5422) und der Fraktion Die Linke (
16/6392).
Werner Müller, Vorstandsvorsitzender der
Evonik Industries AG, sieht durch das vorliegende Gesetz die
Voraussetzungen für das Umstrukturierungskonzept des
ehemaligen RAG-Konzerns geschaffen. Durch den Erblastenvertrag
zwischen der neu gegründeten RAG-Stiftung sowie den
Ländern Nordrhein Westfalen und Saarland seien die Fragen der
so genannten Ewigkeitslasten gelöst worden und ein
Börsengang der Evonik Industries AG möglich. Ziel sei es,
so Müller, ein stabiles, wachstumsorientiertes Unternehmen zu
schaffen, dass "auf dem Strommarkt bemerkbar" sei.
Auch Wilhelm Bonse Geuking,
Vorstandsvorsitzender der RAG-Stiftung, sieht durch das Gesetz die
Umsetzung des "politisch gewünschten" Prozesses der Beendigung
des Steinkohlebergbaus gewährleistet. Die Stiftung habe die
Aufgabe, den sozialverträglichen Anpassungsprozess bis 2018 zu
unterstützen und die Ewigkeitslasten nach der Stilllegung der
Bergwerke zu finanzieren. Sowohl Müller als auch Bonse Geuking
lehnten einen Ausstieg vor 2018 ab. Dies sei ohne betriebsbedingte
Kündigungen nicht zu schaffen.
Vor "nicht abschätzbaren Risiken" warnte der
Bundesrechnungshof. Trotzdem in den Gutachten zur
Höhe der Ewigkeitskosten der "Worst Case" eingeplant wurde, könnten
zusätzliche Kosten entstehen. Die Politik müsse
entscheiden, ob sie darauf mehr Einfluss nehmen wolle.
Als eine "ernst gemeinte Option" bezeichnete die
Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie die
für 2012 geplante Überprüfung der Vereinbarungen.
Zwar nehme man zur Kenntnis, dass der Steinkohlebergbau "politisch
nicht mehr gewollt" sei. Dennoch könne 2012 auch die
Entscheidung für eine Weiterführung des
Steinkohlebergbaus gefällt werden.
Niemand wisse derzeit, so Bernd Tönjes,
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Steinkohle AG, wie sich die
Energiepreise bis 2012 entwickeln würden. Daher sei die
Überprüfungsklausel ernst zu nehmen. Keinesfalls
akzeptabel seien Überlegungen, schon 2012 aus der
Steinkohleförderung auszusteigen. Dies hätte 11.000
Kündigungen zur Folge.
Professor Dieter Schmitt von der
Universität Duisburg-Essen hingegen bezeichnete einen Ausstieg
schon 2012 als "nicht unmöglich". Den betriebsbedingten
Kündigungen stünden eingesparte Subventionen in Höhe
von 12 Milliarden Euro gegenüber. Das sei eine Million pro
Mitarbeiter, die in neue Arbeitsplätze investiert werden
könnten.
Ein auf das Jahr 2012 vorgezogener Ausstieg aus der Steinkohleförderung, so Professor Christoph Schmidt vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung, sei im Interesse des Umweltschutzes zu begrüßen und könnte zur Einsparung von 7,5 Millionen Tonnen an Klimagasen führen. Die eingesparten Subventionen, so Schmidt, könnten in die Entwicklung erneuerbarer Energien investiert werden.