Öffentliche Anhörung des Finanzausschusses
Die geplante Einführung eines so genannten
Anteilsverfahrens als Wahlmöglichkeit für den
Lohnsteuerabzug von Ehepaaren ist bei Sachverständigen auf
Vorbehalte gestoßen.
In der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am
Mittwoch, dem 10. Oktober 2007, zum Regierungsentwurf eines
Jahressteuergesetzes 2008 (
16/6290) sowie zu Anträgen der FDP, die
Steuerklasse V abzuschaffen (
16/6396), der Linksfraktion, die
Entfernungspauschale vollständig anzuerkennen (
16/6374), sowie von Bündnis 90/Die
Grünen, die Lohnsteuerklassen III, IV und V zu streichen (
16/3023), brachte Ulrike
Spangenberg vom Deutschen Juristinnenbund die Alternative
einer Individualbesteuerung der Eheleute mit übertragbarem
Grundfreibetrag ins Spiel.
Dadurch könnten mehrere Lohnsteuerklassen wegfallen. Im Regierungsentwurf ist vorgesehen, dass Ehepaare neben den Steuerklassen-Kombinationen IV/IV oder III/V auch eine anteilige Besteuerung wählen können, um die übermäßige Belastung des jeweils geringer Verdienenden durch den Lohnsteuerabzug zu mildern. Spangenberg nannte dieses Anteilsfahren problematisch, weil der Arbeitgeber dadurch über das Einkommen des Ehepartners seines Arbeitnehmers informiert würde. Dadurch könnten für die Betroffenen Nachteile entstehen, etwa wenn Frauen mit der Begründung gekündigt würde, in der Ehe stehe ein zweites Einkommen zur Verfügung. Im Übrigen stelle das Finanzamt am Jahresende lediglich eine gemeinsame Steuerschuld des Paares fest, der "interne Ausgleich" zwischen den Eheleuten finde nicht automatisch statt.
Auf diesen Umstand wies auch Hartmut Tofaute
vom Deutschen Gewerkschaftsbund hin. Das Anteilsverfahren bringe
gegenüber der Kombination III/V einen gewissen Fortschritt,
doch sollte man nach weiteren Verbesserungen suchen.
Aus Sicht der Finanzbeamten sagte Thomas
Eigenthaler von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft: "Die
Finanzverwaltung hat bisher gut mit den bisherigen Steuerklassen
gelebt." Sowohl beim Anteilsverfahren als auch bei dem von der FDP
vorgeschlagenen Durchschnittssatzverfahren, bei dem sich der
Lohnsteuerabzug der Eheleute an ihren durchschnittlichen
Steuersätzen des Vorjahres orientiert, werde es auf jeden Fall
komplizierter. In beiden Fällen müsste das Finanzamt ein
Besteuerungsmerkmal auf der Basis des Vorjahresergebnisses
gesondert feststellen.
Professor Karl Georg Loritz von der
Universität Bayreuth sagte, er halte es für
"äußerst problematisch", wenn der Arbeitgeber den
Verdienst des anderen Ehepartners kenne. Im weiteren Verlauf der
Anhörung äußerten sich die Sachverständigen
auch zur geplanten Präzisierung des Paragrafen 42 der
Abgabenordnung, wonach künftig eine "ungewöhnliche
rechtliche Gestaltung" dann als missbräuchlich gelten soll,
wenn für sie "keine beachtlichen außersteuerlichen
Gründe" nachgewiesen werden können.
Thomas Eigenthaler von der Deutschen
Steuer-Gewerkschaft nannte diese Vorschrift ein "starkes Schwert",
um den Steuermissbrauch zu Lasten der Allgemeinheit abzumildern.
Für die Finanzverwaltung bedeute es eine Vereinfachung, wenn
der Steuerzahler künftig nachweisen müsse, dass seine
Gestaltung keinen Missbrauch darstellt. Derzeit trage das Finanzamt
eine "starke Beweislast". Eigenthaler schlug jedoch vor, statt
unbestimmter Rechtsbegriffe wie "ungewöhnlich" Fallgruppen zu
konstruieren, um die Steuerakrobatik einzudämmen.
Der Präsident des Deutschen Finanzgerichtstages, Jürgen Brand, nannte die Regelung eine "Allzweckwaffe". "Es ist gut, dass es sie gibt", sagte er.
Karl Georg Loritz bezeichnete sie dagegen als unpraktikabel, weil die Steuerpflichtigen nicht mehr wüssten, was sie noch machen dürften.
Auch Claudia Ende von der Bundessteuerberaterkammer riet dazu, neue unbestimmte Rechtsbegriffe zu vermeiden. Man sollte auf die bestehende Rechtsprechung zurückgreifen, um Rechtssicherheit zu schaffen.
Thomas Borstell von der Wirtschaftsprüfungsfirma Ernst &Young bezeichnete die Vorschrift schließlich als "investitionsschädlich", weil sie vorhandene unbestimmte Rechtsbegriffe durch neue unbestimmte Rechtsbegriffe ersetze, die von der Rechtsprechung wieder ausgelegt werden müssten.
Die Anhörung kann als Video-on-Demand abgerufen werden (siehe rechts).