Debatten, Gesetze und Aktuelle Stunden der vergangenen Sitzungswoche
In den Plenarsitzungen vom 17. bis 21. September 2007 debattierten die Abgeordneten aktuelle Themen wie die Terrorabwehr und langfristige Vorhaben wie die Bahnreform. In Erster Lesung berieten die Abgeordneten zudem Gesetzentwürfe für ein modernes GmbH-Recht und gegen Preismissbrauch bei Lebensmitteln und Energiekosten. Der Bundestag ebnete auch den Weg für eine neue Volkszählung. Ein von der Opposition gefordertes Tempolimit auf Autobahnen lehnte eine Mehrheit im Parlament ab.
Bahnprivatisierung sorgt für Grundsatzdebatte
Der Gesetzentwurf zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG wurde am Freitag, dem 21. September 2007, erstmals im Bundestag beraten. Die Opposition kritisierte die Pläne der Bundesregierung grundsätzlich. Der Abgeordnete der FDP-Fraktion Horst Friedrich nannte die Pläne verfassungswidrig.Oskar Lafontaine, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE. sagte: „Es geht bei der Privatisierung um eine Beraubung oder Enteignung der Bevölkerung.“ Winfried Hermann, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bezweifelte, dass man dem Gemeinwohlauftrag mit der geplanten Überlassung des Schienennetzes an die Bahn AG gerecht werden könne. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee betonte, der Bund bleibe Eigentümer des Netzes. Es werde „kein Volksvermögen verschleudert“. Die Teilprivatisierung des Staatsunternehmens ist für Ende 2008 geplant. Der Bund soll die Mehrheit der Anteile behalten.
Afghanistan-Mandat diskutiert
Der Bundestag hat am Donnerstag das Vorhaben der Bundesregierung, den Bundeswehreinsatz in Afghanistan um ein weiteres Jahr zu verlängern debattiert ( 16/6460). Rund 3100 deutsche Streitkräfte beteiligen sich derzeit an der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (ISAF). Ohne Zustimmung des Parlamentes können keine Bundeswehrsoldaten zu Auslandseinsätzen entsandt werden. Das erste ISAF-Mandat für die Bundeswehr hatte der Bundestag Ende 2001 erteilt. Der Beschluss des Parlamentes vom Frühjahr 2007, auch deutsche Tornado-Flugzeuge für Aufklärungs- und Überwachungsflüge in Afghanistan zuzulassen, ist nun Teil des ISAF-Mandates. Der Antrag ist nach der ersten Lesung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen worden. Über die Verlängerung stimmen die Abgeordneten voraussichtlich Anfang Oktober namentlich ab.
Aktuelle Stunden zu Anti-Terror-Maßnahmen
Am Mittwoch wurden im Bundestag die Pläne von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) heftig diskutiert, die Bundeswehr für den Abschuss entführter Passagierflugzeuge einzusetzen. Jung fordert eine Änderung des Grundgesetzes. Ohne eine solche Möglichkeit wäre die Bundesrepublik bei einem Terrorangriff „wehrlos“, sagte der Minister am Mittwoch in der Aktuellen Stunde, die von der FDP-Fraktion beantragt wurde. Die Fraktionen von BÜNDNIS 90/GRÜNE und DIE LINKE. forderten den Rücktritt des Ministers. Der SPD-Abgeordnete Hermann Scheer nannte es verfassungswidrig, das Leben Unschuldiger gegeneinander abzuwägen. Guido Westerwelle, FDP-Fraktion, sagte, „dass das Abschießen von unschuldigen Menschen in Passagiermaschinen unzulässig ist, weil es gegen die Menschenwürde und das Recht auf Leben verstößt.“ Hans- Christian Ströbele nannte Jung nicht nur „eine Gefahr für die Truppe, sondern für Bundesrepublik Deutschland und die Passagiere ist, die sich in ein Flugzeug setzen“.
In einer Aktuellen Stunde am Donnerstag, die die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt haben, debattierten die Abgeordnete die „Äußerungen des Bundesinnenministers zu angeblich bevorstehenden atomaren Anschlägen durch Terroristen in Deutschland und seine Ermunterung für die verbleibende Zeit“. Die Warnungen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) stießen auf heftige Kritik bei der SPD-Fraktion und der Opposition, die ihm Panikmache vorwarfen. Aus Protest verließ der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Volker Kauder, bei der Rede des SPD-Abgeordneten Fritz Rudolf Körper den Plenarsaal. Schäuble hatte am Wochenende davor gewarnt, dass Terroristen einen Anschlag mit nuklearem Material vorbereiten könnten.
Gesetzentwürfe zu GmbH-Reform und Kartellrecht
Der Gesetzentwurf für eine Reform des über 100 Jahre alten GmbH-Rechts 16/6140 wurde am Donnerstag in Erster Lesung beraten. Das Stammkapital einer GmbH soll künftig von 25 000 auf 10 000 Euro gesenkt werden, um Existenzgründungen zu erleichtern. Die Eintragung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung soll beschleunigt werden.
Mit einem Gesetz zur Bekämpfung von Preismissbrauch 16/5847, das der Bundestag ebenfalls erstmals im Plenum behandelte, sollen Kartellbehörden effektiver gegen hohe Verbraucherpreise für Energie und Lebensmittel vorgehen können. Die Gesetzentwürfe wurden in die Fachausschüsse überwiesen.
Neue Volkszählung im Jahr 2011
Der Bundestag hat am Donnerstag das so genannte Zensus-Vorbereitungsgesetz verabschiedet, die eine Volkszählung für das Jahr 2011 ermöglicht. Erfasst werden sollen Geburtsland und -ort, Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Familienstand. Dazu kommen Daten aus Haushalt, Erwerbsleben sowie zur Bildung. Die Gesamtkosten der neuen Volkszählung werden auf etwa 450 Millionen Euro geschätzt. Eine neue Volkszählung wird in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung unter anderem damit begründet, dass die Daten veraltet seien. Die letzte Volkszählung fand in der Bundesrepublik 1987 statt, in der DDR 1981.
Tempolimit auf Autobahnen abgelehnt
Der Bundestaglehnte Forderungen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/GRÜNE nach einem generellen Tempolimit auf Autobahnen ab. DIE LINKE. wollte zum 1. Januar 2008 ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern „als Bestandteil der integrierten CO2-Minderungsstrategie“ einführen. Die Grünen forderten ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern ab Anfang 2008 als „klimapolitische Sofortmaßnahme zur Reduktion der CO2-Emissionen“ und aus Gründen der Verkehrssicherheit.
Elektronischer Datenaustausch statt Lohnsteuerkarte
Zur Debatte stand in der Sitzungswoche auch das geplante Jahressteuergesetz 2008. Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzbehörden sollen von 2011 an nach dem Willen der Bundesregierung die Daten für die Lohnsteuer elektronisch austauschen können. Die alte Lohnsteuerkarte würde damit abgeschafft. Der Arbeitnehmer gibt nur noch seine steuerliche Identifikationsnummer und sein Geburtsdatum an. Diese lebenslang geltende Nummer wird bereits seit Juli 2007 allen 82 Millionen Staatsbürgern zugewiesen. Der Gesetzentwurf mit mehr als 200 Einzelregelungen soll Bürokratiekosten von jährlich 280 Millionen Euro einsparen.
Senioren, Menschenrechte in China, Kohle-Ausstieg
Auf der Tagesordnung des Bundestages standen außerdem der fünften Altenbericht der Bundesregierung, die Menschenrechtslage im Vorfeld von Olympia 2008 in China und der Tierschutz im Zirkus. Der Ausstieg aus dem subventionierten Kohlebergbau und dessen Finanzierung war Thema einer Debatte am Freitag.