Aufzeichnung der Anhörung ist online abzurufen
Jüngst sind in den Medien Fälle von
Zwangsvollstreckungen gegen Darlehensnehmer bekannt geworden, die
ihre Baukredite ordentlich bedient haben. Dass diese Fälle
gesetzlichen Handlungsbedarf erfordern, darüber waren sich
Sachverständige bei der öffentlichen Anhörung des
Finanzausschusses am Mittwoch, dem 23. Januar 2008, weitgehend
einig. Thema war der Regierungsentwurf eines
Risikobegrenzungsgesetzes (
16/7438).
Die Aufzeichnung der Anhörung steht als Video-on-Demand bereit (siehe rechts).
Zu solchen Zwangsvollstreckungen ist es nach Angaben von
Sachverständigen gekommen, nachdem die kreditgebende Bank ihre
Forderung weiter verkauft hatte, beispielsweise an eine
ausländische Nichtbank. Allerdings waren sich die Experten
uneins über den Wahrheitsgehalt entsprechender
Medienberichte.
Marcel Köchling vom US-Finanzinvestor Lone Star wies den Vorwurf zurück, es würde bei pflichtgemäß bedienten Krediten aus der Grundschuld vollstreckt. Dies geschehe nur bei Krediten, die nicht mehr ordentlich bedient werden, und dann auch nicht in der Höhe der Grundschuld, sondern nur bis zur maximalen Höhe der Restschuld.
Rechtsanwalt Ingo Schulz-Hennig dagegen
berichtete, solche Fälle beschäftigten ihn 50 Stunden in
der Woche. Die Bestellung einer Grundschuld durch eine Bank habe
Treuhand-Charakter, und Pflichten aus einem Treuhand-Vertrag
dürften laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) nicht
abgetreten werden. Der Kunde habe, wenn er seine schuldrechtlichen
Verpflichtungen erfüllt habe, einen
Rückgewähranspruch gegenüber der Bank. Es sei zu
fragen, wie er diesen Anspruch durchsetzen wolle, wenn der Erwerber
der Forderung auf den Bermudas ansässig sei. Es dürfe
nicht sein, dass die Bank die Sicherheit der Kunden verwertet. Die
Erklärung des Kreditnehmers, sich der Vollstreckung zu
unterwerfen, dürfe nicht abgetreten werden, betonte
Schulz-Hennig.
Den Sachverständigen lag ein zwischen Bundesfinanz- und Bundesjustizministerium abgestimmter Vorschlag zur Änderung des Kreditwesengesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuchs vor. Danach sollten Banken ihren Kunden auch solche Kredite anbieten müssen, deren Forderungen nicht verkauft werden dürfen. Es würde so ausgeschlossen, dass ein Kreditnehmer mit einem neuen Gläubiger konfrontiert wird. Zudem soll der Darlehensgeber verpflichtet werden, den Kreditnehmer drei Monate vor Auslaufen der vereinbarten Zinsbindung oder Fälligkeit der Rückzahlungsforderung über Änderungen im Vertragsverhältnis zu unterrichten. Kreditnehmer sollten auch über einen neuen Gläubiger oder Vertragspartner informiert werden müssen. Dann könne sich der Kreditnehmer entscheiden, ob er mit dem neuen Vertragspartner eine längerfristige Vertragsbeziehung fortsetzen möchte. Schließlich ist vorgesehen, den Kündigungsschutz der Kreditnehmer bei Immobiliendarlehen zu erweitern.
Thorsten Höche vom Zentralen Kreditausschuss der deutschen Banken sagte, ein Verbot des Verkaufs von "Kreditrisiken" hätte deutliche Auswirkungen, weil diese Möglichkeit wesentlich sei für die Eigenkapitalentlastung der Institute. Höche betonte, die Diskussion über die Weitergabe der Kredite werde sehr ernst genommen. Einigen der Regelungsvorschläge der Regierung stehe man aufgeschlossen gegenüber.
Frank Christian Pauli vom Verbraucherzentrale Bundesverband sagte, wenn ein Dritter in die Beziehung zwischen Bank und Kunde eintrete, bringe das Verunsicherung. Man könne es den Verbrauchern nicht zumuten, die Rechtslage klären zu lassen, ehe sie einen Kredit aufnehmen. Pauli sprach sich dagegen aus, künftig zwischen abtretbaren und nicht abtretbaren Forderungen zu unterscheiden.
Markus Artz von der Freien Universität Berlin plädierte dafür, die Vollstreckungsmöglichkeiten zu beschränken. Aus einer Sicherungsgrundschuld sollte nicht vorgegangen werden können, wenn der Sicherungsfall nicht eingetreten ist. Da es um hohe Streitwerte gehe, könnten Bauherrn unverschuldet in die Lage gebracht werden, eine Klage finanzieren zu müssen, obwohl sie ihr Darlehen regulär bedienen.
Für Wolfgang Vahldiek vom Verband der Auslandsbanken wäre eine gesetzliche Klarstellung, dass die Grundschuld nicht ohne die Sicherungsabrede übertragen werden kann, eine "denkbare Alternative".
Professor Sigrid Müller von der Humboldt-Universität Berlin wies schließlich darauf hin, dass es das Geschäftsmodell des Forderungsverkaufs weltweit gebe und man sich davon nicht einfach abkoppeln könne.