Öffentliche Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses
Als "Unsinn" bezeichnete Kanzleramtsmitarbeiter Hans-Josef Vorbeck am Donnerstag, dem 14. Februar 2008, vor dem Untersuchungsausschuss die Theorie, man habe im Herbst 2001 Mohammed Haydar Zammar trotz eines hierzulande gegen den Deutsch-Syrer laufenden Ermittlungsverfahrens absichtlich nach Marokko ausreisen lassen, um ihn den USA ans Messer zu liefern. Zum Auftakt der Zeugenvernehmungen erklärte der Terrorismus-Experte, seinerzeit habe man mangels ausreichender Verdachtsmomente gegen Zammar keine Handhabe für einen Haftbefehl und für eine Verhinderung des Flugs gehabt.
Vorbeck gab an, dass die USA offenbar vom Bundeskriminalamt (BKA) die Reisedaten des deutschen Staatsbürgers erhalten hatten, der wegen seiner Kontakte zu den Hamburger Attentätern vom 11. September 2001 unter Verdacht geraten war. Das parlamentarische Gremium prüft, ob deutsche Behörden und die hiesige Regierung eine Mitschuld trifft an der im Dezember 2001 auf Veranlassung der USA erfolgten rechtswidrigen Festnahme Zammars in Marokko und dessen Einkerkerung in einem syrischen Gefängnis.
Laut Vorbeck spielte der Fall Zammar nur am Rande eine Rolle, als im Juli 2002 im Kanzleramt mit dem Vizechef des syrischen Militärgeheimdienstes eine Kooperation bei der Terrorbekämpfung vereinbart und im Gegenzug ein Strafverfahren eingestellt wurde, das damals in der Bundesrepublik gegen zwei der Spionage angeklagte Syrer lief. Der Ausschussvorsitzende Siegfried Kauder (CDU) verwies darauf, dass dieses Gespräch am 10. Juli 2002 stattfand, dass Damaskus am 20. Juli Ergebnisse einer Befragung Zammars an die deutsche Seite lieferte und am 24. Juli der Prozess gegen die beiden syrischen Agenten kurz vor der Eröffnung niedergeschlagen wurde. Ob da ein Zusammenhang existiere, wollte der CDU-Politiker wissen. Dazu könne er nichts sagen, antwortete der Zeuge, "da müsste ich spekulieren". Vorbeck führte aus, im Kanzleramt habe man erst im Juni 2002 von der Inhaftierung Zammars in Damaskus erfahren, zuvor seien alle Nachforschungen nach dem Verbleib des im Dezember in Marokko Verschwundenen erfolglos geblieben. Auch bei Gesprächen mit Vertretern der US-Botschaft in Berlin habe er keine Informationen über den Aufenthaltsort Zammars erhalten.
Der Zeuge bestätigte, dass Guido Steinberg, bis 2005 in der Regierungszentrale als Referent für internationalen Terrorismus tätig, Vorbehalte gegen eine Zusammenarbeit mit Damaskus geltend gemacht habe. Steinberg hatte im Dezember als Zeuge vor dem Ausschuss erklärt, 2002 habe er vor einer Kooperation mit Syrien wegen der dort praktizierten Menschenrechtsverletzungen gewarnt. Vorbeck sagte jetzt, letztlich habe man sich aber für eine Zusammenarbeit entschieden, um auf diesem Weg an Informationen über terroristische Netzwerke heranzukommen. Das Ergebnis der Kooperation mit Damaskus sei jedoch "eher enttäuschend" und "nicht sehr positiv" gewesen.
Im Vorfeld eines Verhörs Zammars in Damaskus durch deutsche Vernehmer im November 2002 haben laut Vorbeck bei Gesprächen im Kanzleramt Foltervorwürfe gegen Syrien keine Rolle gespielt. Der Bericht über diese Befragung sei für die Arbeit in der Regierungszentrale nicht von großer Bedeutung gewesen. Für die praktische Arbeit der Sicherheitsbehörden habe sich das Resultat des Verhörs wegen der Benennung vieler Kontaktpersonen aus der Terrorszene hingegen als wertvoll erwiesen.