Öffentliche Sitzung des Europaausschusses
Der Vertrag von Lissabon bietet nach Meinung von Europaexperten neue Chancen für eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Bei der Ausgestaltung komme es aber in starkem Maße darauf an, welche zukünftige Rolle das Europaparlament (EP) und die nationalen Parlamente dabei spielen werden. Das wurde bei einem Expertengespräch des Europaausschusses zur Vorbereitung der Ratifizierung des Vertrages von Lissabon am Mittwoch, dem 20. Februar 2008, deutlich.
"Alle Parlamente sind aufgefordert, sich einzumischen", sagte
Joachim-Fritz Vannahme, Projektleiter Europa der
Bertelsmann-Stiftung. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die neuen
Regelungen zu einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der
Außen- und Sicherheitspolitik der Union führen
können. "Die Wirklichkeit wird den Vertrag überholen und
eher zu Vergemeinschaftung führen", so Vannahme.
Einig waren sich die Experten darüber, dass in vielen
Bereichen noch eine unklare Kompetenzverteilung besteht: "Der
Konflikt ist, wer wann wofür zuständig sein wird. Das
regelt der Reformvertrag überhaupt nicht", sagte
Andreas Maurer von der Stiftung Wissenschaft und
Politik. Nach Meinung Maurers stellt das Vertragswerk eine
"Aufaddierung verschiedener Integrationsvorstellungen" dar. Neben
der EU als Rechtspersönlichkeit könnten dabei aber auch
das Europaparlament und die nationalen Parlamente eine
mögliche Klammerfunktion übernehmen, so Maurer.
Auch Wolfgang Wessels von der Universität
Köln verwies darauf, dass der Nutzen des Reformvertrages davon
abhänge, "was die Regierungen daraus machen wollen", so
Wessels. Dabei hob er zudem hervor, dass der Bundestag im Vergleich
zu anderen Parlamenten ein großes Mitspracherecht in
außenpolitischen Fragen habe.
Hinsichtlich der Frage des Einflusses des EP kritisierte Tobias
Pflüger, Abgeordneter der Linkspartei im
Europaparlament, dass es mit dem Vertrag von Lissabon zwar eine
Verlagerung von Kompetenzen an die EU gegeben habe, aber keine
Sicherung der parlamentarischen Kontrolle. Dies nannte er auch als
einen der Gründe, sich gegen eine Ratifizierung des
Vertragswerkes auszusprechen.
Elfriede Regelsberger vom Institut für
Europäische Politik sprach sich hingegen auf Nachfrage der
Abgeordneten für eine Ratifizierung des Vertragswerkes aus, da
er im institutionellen Bereich einen Fortschritt bedeute. Als
positive Aspekte nannte sie das Ende der routierenden
Präsidentschaft sowie mehr Sichtbarkeit und Kontinuität.
Gleichzeitig gab sie jedoch zu bedenken, dass der neue Vertrag
beispielsweise bezüglich der Rolle des Hohen Vertreters
für die Außen- und Sicherheitspolitik in Abgrenzung zum
neuen Präsidenten des Europäischen Rates noch viele
"offene Fragen" erkennen ließe.