Öffentliche Anhörung des Finanzausschusses
Weder die Vertreter von Familienunternehmen noch die Wissenschaftler sind mit dem Regierungsentwurf für eine Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts ( 16/7918) richtig zufrieden. Dies zeigte sich bei der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Mittwoch, dem 5. März 2008.
Gegenstand der Diskussion waren neben dem Regierungsentwurf auch
ein Gesetzentwurf der FDP (
16/2087), ein Antrag der Liberalen, der
fordert, dass die Reform nicht mit einer Steuererhöhung
verbunden sein dürfe (
16/7765), sowie Anträge der Linksfraktion
(16/3348) und der Bündnisgrünen (
16/8185) für eine gerechte Reform der
Erbschaftsbesteuerung.
Die Aufzeichnung der Anhörung ist als Video-on-Demand abrufbar (siehe rechts).
Die Regierung war mit ihrem Entwurf einer Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen, die Besteuerung von Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben "verfassungsfest" zu machen. Das Gericht hatte die bisherige Wertermittlung der genannten Vermögensarten als verfassungswidrig bezeichnet.
Die künftige Bewertung soll sich nach dem Willen der
Regierung am "gemeinen Wert", also am Verkehrswert orientieren.
Vorgesehen ist zudem eine Anhebung der Freibeträge und einiger
Steuersätze in den Steuerklassen II und III bei Erbfällen
außerhalb des engeren Familienrahmens. Beim
Unternehmensübergang sollen 85 Prozent des
Betriebsvermögens unter bestimmten Voraussetzungen von einer
"Verschonungsregelung" profitieren können, während die
restlichen 15 Prozent nach Abzug eines Freibetrags von maximal
150.000 Euro immer besteuert werden.
Mehrere Sachverständige bezeichneten den Zeitraum von 15 Jahren, um den Betriebsübergang mit Hilfe der Verschonungsregelung erbschaftsteuerfrei zu gestalten, als zu lang. Wird der Betrieb von den Erben 15 Jahre lang weitergeführt und unterschreitet die Lohnsumme in den ersten zehn Jahren nicht 70 Prozent des Durchschnittswerts der letzten fünf Jahre davor, dann wird nach den Regierungsplänen die Erbschaftsteuer nicht erhoben.
Diese Begünstigung ist nach Aussage von Sabina
Gerhart vom Deutschen Unternehmensverband
Vermögensberatung an "in der Regel unerfüllbare
Bedingungen geknüpft". Aus diesem Grund rechneten auch viele
Familienunternehmen mit einer höheren
Erbschaftsteuerbelastung, wie Peer-Robin Paulus vom Verein "Die
Familienunternehmer - ASU" ausführte. Bei einem Verstoß
innerhalb dieser 15 Jahre solle die Steuerschuld nicht in voller
Höhe fällig werden, sondern lediglich
zeitanteilig.
Misslich nannte Gerhart die Regelung zum
Verwaltungsvermögen. Danach ist vorgesehen, dass die
Verschonungsregelung nur dann gewählt werden kann, wenn das
Verwaltungsvermögen nicht mehr als die Hälfte des
Gesamtbetriebsvermögens ausmacht. Davon wäre etwa der
ARAG-Versicherungskonzern als größtes deutsches
Versicherungsunternehmen im Familienbesitz betroffen, wie der
Vorstandsvorsitzende Paul-Otto Fassbender deutlich
machte. Weil bei Versicherungen wie bei Finanzdienstleistern das
Verwaltungsvermögen mehr als die Hälfte des
Betriebsvermögens ausmache, käme die ARAG nicht in den
Genuss der Verschonungsregelung. "Wir sind dann in einer
existenziellen Bedrohung", sagte Fassbender, es bliebe nur der
Verkauf an "fremde Investoren".
Alfons Kühn vom Deutschen Industrie- und
Handelskammertag kritisierte den hohen Überwachungsaufwand der
Verschonungsregelung für eine Steuer, die "bestenfalls gar
nicht erhoben werden kann", und stellte deren
Verhältnismäßigkeit in Frage. Thomas
Lindner vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau
(VDMA) plädierte dafür, die Fristen drastisch zu
reduzieren und gesetzliche Öffnungsklauseln zu schaffen, wenn
nachgewiesen werden könne, dass ein Arbeitsplatzabbau
betriebsnotwendig ist und nicht allein der Renditesteigerung
dient.
Reinhold Borgdorf vom Bund Deutscher Finanzrichterinnen und Finanzrichter bezeichnete die Verschonungsregelung als "wenig zielgenau". Es gebe Unternehmen, die die geforderte Lohnsumme nicht einhalten könnten und dafür noch mit der Erbschaftsteuerschuld belastet würden. Andererseits könnten florierende Unternehmen die Regelung in Anspruch nehmen, obwohl sie diese "Subvention" nicht nötig hätten.
Der Rechtswissenschaftler Professor Joachim Wieland aus Speyer unterstrich, wenn die Erbschaftsteuer erhalten bleiben solle, müsse es überzeugende Gründe für eine Verschonungsregelung geben. Der Bremer Ökonom Professor Rudolf Hickel bezeichnete die Verschonungsregelung als "insgesamt problematisch" und riet dazu, einen anderen Weg zu finden. Die Regelung sei missbrauchsanfällig und führe zu Verunsicherung, so Hickel.