Öffentliche Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Experten der Innen- und Rechtspolitik haben sich in einer öffentlichen Sitzung des Europa-Ausschusses am Mittwoch, dem 5. März 2008, für eine Ratifizierung des Vertrags von Lissabon ausgesprochen. In dem zweiten Fachgespräch zum so genannten "Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" wurden unter anderem neben der gegenseitigen Anerkennung des Strafrechts auch die Kompetenzabgrenzung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten sowie die Frage der parlamentarischen Kontrolle durch das Europaparlament und die nationalen Parlamente erörtert.
In seiner Eigenschaft als Präsident der Europa-Union
Deutschland erklärte Peter Altmaier (CDU),
parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium,
dass der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu den
"herausragenden Errungenschaften des Reformvertrages" gehöre.
Er hob hervor, dass mit dem Vertrag von Lissabon die alte
Säulenstruktur früherer Verträge überwunden und
eine einheitliche Rechtspersönlichkeit geschaffen worden
sei.
Professor Stefan Braum von der Fakultät
für Rechts-, Wirtschafts- und Finanzwissenschaften der
Universität Luxemburg verwies auf das Problem der geteilten
Zuständigkeit, die er als "nicht klar begrenzt" bezeichnete.
Aus dieser Tatsache würden sich neue Abgrenzungsfragen
stellen, vor allem auch die Frage, wer künftig für die
Substanz des Strafrechts zuständig sei. Unter bestimmten
Bedingungen warnte er vor der "Gefahr einer Erosion des
Strafrechts". Er verwies später darauf, dass es zwar eine
Reihe von Freiheitsbeschränkungsmaßnahmen gegeben habe,
ohne dass aber ein "Pendant zum Ausbau von Bürgerrechten"
erfolgt sei.
Professor Jörg Monar, Direktor des
SECURINT-Projekts zu Fragen der inneren Sicherheit der EU an der
Robert-Schuman-Universität in Straßburg, hob hervor,
dass dieser Politikbereich zu den am schnellsten wachsenden
Bereichen gehöre und hohe Zustimmungsraten bei den
EU-Bürgern genieße. Trotz "einiger Schattenseiten"
würde der Vertrag auch große Fortschritte mit sich
bringen. Seiner Meinung nach gibt es keine Alternative zum Prinzip
der gegenseitigen Anerkennung. Er erklärte aber auch, dass es
nur Fortschritte geben könne, wenn es auch Weiterentwicklungen
beim Strafverfahrensrecht geben werde. "Letztendlich hängt
natürlich sehr viel vom Gesetzgeber ab", sagte er.
Professor Bernd Schünemann von der
Ludwig-Maximilians-Universität München plädierte
hinsichtlich des Vertrags von Lissabon für eine Verbesserung
der demokratischen Struktur und bemängelte "das Fehlen einer
europäischen Öffentlichkeit". Hinsichtlich des
Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung erklärte er, dass
man eine "Kompensation suchen" müsse, wie man die
Verteidigungsrechte stärken könne. Unter Hinweis auf die
Möglichkeit der so genannten "Notbremse" - also der Anrufung
des Europäischen Rates, sagte er: "Über diese Notbremse
sollte das Parlament und nicht die Regierung
entscheiden."
Nach Auffassung von Oliver Suhr von der Staatskanzlei des Saarlandes, begründet der Vertrag von Lissabon einen Raum, "in dem die nationalen Parlamente aktiv zur Zusammenarbeit beitragen". Als Nachteil in dem "insgesamt ausgewogenen Kompromiss" sprach er die Gefahr einer "Rechtszersplitterung", aber auch die Frage der Bürgerrechte an. Aufgrund der fünfjährigen Übergangsfrist sehe er einen ausreichenden Rechtsschutz. Für die Rechtsklarheit, so Suhr weiter, "sind wir selber verantwortlich".