Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Wenige Tage nach dem Scheitern der geplanten höheren Beimischung von Biokraftstoffen zum Benzin haben sich Experten unterschiedlich über den zukünftigen Umgang mit Agrarkraftstoffen geäußert, aber mehrheitlich einheitliche Bewertungsstandards gefordert.
Bei einer Anhörung des Umweltausschusses über die
Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (
16/8150) am Mittwoch, dem 9. April 2008, wurde
insbesondere die Frage der Quoten, des Anbaus und der Herstellung
der Biokraftstoffe kontrovers diskutiert. Dabei äußerten
sich die Sachverständigen auch zu der Frage, inwieweit die
achte Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) mit den
europäischen Vorgaben vereinbar sei.
Als Vertreter des ADAC erklärte Michael
Niedermeyer, dass die von der EU vorgegebenen Quoten
"heute schon übererfüllt" würden. Eine weitere
Steigerung der Biokraftstoffquoten werde daher vom ADAC abgelehnt,
weil diese Reglementierung mehr Probleme als Nutzen mit sich
brächte. Der Umfang der Biokraftstoffe könne erst
ausgewertet werden, wenn negative ökologische und soziale
Auswirkungen durch den Anbau und die Produktion von Biokraftstoffen
ausgeschlossen werden könnten.
Auch Friedrich Homann von der
Mittelständischen Mineralöl- und Energiewirtschaft
Deutschland e. V. begrüßte die Entscheidung, die Quote
herabzusetzen. Er plädierte für eine Verschiebung der
Novelle und forderte, die Entscheidungsgrundlagen zu verbessern:
"Wir haben den Eindruck, dass die Objektivierbarkeit der Fakten
nicht gegeben ist", sagte er.
Die Geschäftsführerin des Verbandes der
Biokraftstoffindustrie, Petra Sprick,
begrüßte das Gesetz und erklärte, dass es
insbesondere im Verkehrsbereich "unumgänglich" sei,
Biokraftstoffe einzusetzen, um auf diese Weise einen Beitrag zum
Klimaschutz zu leisten. Mittelfristig gebe es dazu keine
Alternative, sagt Sprick. Gerade der Markt für Biokraftstoffe
in Reinform (B100) müsse erhalten bleiben. Beim Import von
Biokraftstoffen, die nicht aus Europa stammen, sollten nur
nachweislich nachhaltig produzierte Rohstoffe eingeführt
werden dürfen.
Kritisch zu der Verordnung äußerte sich Professor Martin Faulstich, Mitglied für Umweltfragen im Sachverständigenrat. "Diese Verordnung führt noch mehr auf den Weg, den wir für falsch halten, so Faulstich. Der Sachverständigenrat begrüßt, dass in der Bundesregierung der bisherige Fahrplan zum Ausbau der Agrokraftstoffe neu überdacht wird und plädierte dafür mit der Biomasse stärker Energien im Strom- und Wärmebereich zu fördern.
Für den BUND sind die Agrokraftstoffe ebenfalls kein
Beitrag zum Klimaschutz und zur Reduktion von
CO2-Emissionen.
Thorben Becker verwies für seinen Verband
auf die schlechte Klimabilanz und sprach sich dafür aus, das
Gesetz nicht zu verabschieden. Auch er verwies nochmals darauf,
dass es ein Problem darstelle, dass es in diesem Bereich keine
klaren Berechnungsgrundlagen gebe.
Peter Hahn vom Netzwerk Lebensmittel-Forum
unterstützte die Position des Sachverständigenrates und
verwies in seinem Beitrag darauf, dass durch die Agrokraftstoffe
unter anderem eine "Flächennutzungskonkurrenz" hinsichtlich
der Produktion von Lebensmitteln und Kraftstoffen entstanden sei.
Als Konsequenz forderte er ein Moratorium und schlug vor, eine
Überprüfungsklausel in die Verordnung zu integrieren, um
gegebenenfalls die Beimischungsquote für Kraftstoffe nach
unten korrigieren zu können.
Grundsätzliche Überlegungen zur Frage der Biokraftstoffe äußerte Gerd Rosenkranz von der deutschen Umwelthilfe. Er kritisierte, dass es sich bei der Einführung der Biokraftstoffe um eine "heterogene Interessensallianz" gehandelt habe, die Agrokraftstoffe mit einer "ziemlich brachialen Einführungsstrategie" durchgesetzt habe. Neben den Landwirten hätten sich auch die Maschinen- und Anlagenbauer sowie die Autohersteller aus unterschiedlichen Motiven für die Kraftstoffe ausgesprochen.
Insgesamt, so Rosenkranz sei aber zu wenig über die
sozialen und ökologischen Ziele nachgedacht worden. Er warnte
in der Diskussion davor, nicht "von einem Extrem ins andere zu
verfallen" und lobte die Ergebnisse der Forschung in dieser Frage:
"Man muss der Wissenschaft danken, sagte Rosenkranz", weil sie
rechtzeitig das richtige gesagt hat."