Serie (2): Netzwerke für Demokratie und Verständigung
Insgesamt 53 Parlamentariergruppen und ein Freundeskreis pflegen weltweit die Beziehungen des Bundestages zu den Parlamenten anderer Staaten, darunter auch die Deutsch-Polnische Parlamentariergruppe. Mit den bi- und multilateralen Parlamentariergruppen hat sich ein wichtiges Netzwerk für Demokratie und Verständigung in den internationalen Beziehungen entwickelt.
Deutsch-Polnische Parlamentariergruppe: Neuer
Gesprächsfaden
Seit 1987 tauschen sich Abgeordnete des Deutschen Bundestages mit dem Parlament des Nachbarlandes aus. Derzeit hat die Deutsch-Polnische Parlamentariergruppe 65 Mitglieder. Als Donald Tusk mit seiner liberal-konservativen Partei „Bürgerplattform“ im Oktober 2007 die Regierung in Polen übernahm, erlebten auch die Beziehungen der Parlamente einen Aufschwung.
Europäische Perspektiven
Donald Tusk führte den „Sejm“ und den Senat, die zusammen das polnische Parlament bilden, zurück zum Dialog mit Europa. In seiner ersten Regierungserklärung verkündete er die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon und die Einführung des Euro in Polen. Markus Meckel (SPD), Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe, meint: „Mit der neuen Regierung kann man über unterschiedliche Positionen zur Europa-Politik sprechen, ohne dass dies in eine Staatskrise führt.“
So diskutieren die Abgeordneten heute über heikle Energie-Fragen oder auch den möglichen NATO-Beitritt der Ukraine und Georgiens, an dem Polen ein besonderes Interesse hat. Warschau versteht sich als Anwalt der Interessen von Kiew und Tiflis in Europa.
Der lange Streit um die Darstellung von Flucht und Vertreibung der Deutschen nach dem 2. Weltkrieg, der die Beziehung zu Polen so lange vergiftet habe, sei durch die von der Bundesregierung ins Leben gerufene Unselbstständige Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ unter dem Dach der Stiftung Deutsches Historisches Museum nun gelöst, sagt Meckel. "Vorausgesetzt, wir werden dem Vertrauen gerecht, das in uns gesetzt wird.“ In der geplanten Ausstellung werde eine differenzierte und historisch korrekte Darstellung von Flucht und Vertreibung vor dem Hintergrund der Ursachen im Nationalsozialismus und im Kontext europäischer Geschichte sowie die Einbeziehung der Perspektiven der europäischen Nachbarstaaten grundlegend sein, so Meckel. Zudem soll es noch im Frühjahr 2009 ein Symposium geben, in dessen Rahmen Vertreter aller beteiligten Bundesstellen sowie gesellschaftlicher Gruppen und Verbände mit wissenschaftlichem Fachpublikum aus dem In- und Ausland (insbesondere aus Polen, Tschechien und Ungarn) die Kriterien zur Umsetzung der Ausstellung der unselbständigen Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ diskutieren."
Problemlos sei der Dialog allerdings noch lange nicht, meint Georg Schirmbeck (CDU/CSU). Als Mitglied der Parlamentariergruppe werde er häufig mit Vorwürfen, die deutsche Vergangenheit betreffend, konfrontiert. „Dabei ist es viel wichtiger, nach vorn zu schauen und etwas für die Zukunft der bilateralen Beziehungen zu tun.“ Es gehe um ganz praktische Themen wie die Ostseeautobahn zwischen Stettin und Lübeck, welche die Länder zusammenbringe.
Vorurteile abbauen durch Jugendaustausch
"Wir setzen uns für den Jugendaustausch zwischen Deutschland und Polen ein", betont Cornelia Pieper (FDP), stellvertretende Vorsitzende der Parlamentariergruppe. Dieser müsse noch verstärkt werden, um ein Zeichen zu setzen gegen Vorurteile, die zu Konflikten führen. Etwa im vergangenen April in der Nähe von Querfurt (Sachsen Anhalt), als fünf Jugendliche eine Unterkunft polnischer Erntehelfer mit einem Molotow-Cocktail angegriffen hatten. Die Länder müssten wieder näher zusammen rücken, sagt die FDP-Abgeordnete. Ein ständiger Austausch mit dem Nachbarparlament könne viel dazu beitragen.
Unionspolitiker Schirmbeck organisierte bereits in den
vergangenen Jahren einen sehr erfolgreichen Jugendaustausch. In
diesem Jahr treffen sich wieder 140 junge Polen, Russen, Schweden
und Deutsche. Für die multilaterale Verständigung in dem
Zeltlager voller junger Leute brauche man dann gar nichts weiter zu
tun. „Die machen den Rest ganz von selbst.“
Eine der nächsten wichtigen Etappen der Zusammenarbeit mit
den polnischen Parlamentariern werde das geplante "Europäische
Netzwerk Erinnerung und Solidarität“ sein, so Meckel.
"Mit diesem Netzwerk wollen wir gemeinsam wichtige Fragen der
Aufarbeitung der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts
grenzüberschreitend bearbeiten: den Nationalsozialismus wie
den Kommunismus.“
Darüber hinaus haben auch Sejm-Marschall Bronislaw Komorowski und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) kürzlich in Berlin angekündigt, die Beziehungen zwischen Bundestag und Sejm vertiefen zu wollen. Künftig wollen beide Parlamente "wo immer möglich" im europäischen Entscheidungsprozess mit einer Stimme sprechen. In diesem Zusammenhang soll das Weimarer Dreieck - also die Kooperation zwischen Deutschland, Polen und Frankreich - auch auf Parlamentsebene wiederbelebt werden.