Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales
Zur besseren Bekämpfung von Kinderarmut setzen sich sowohl Kommunen als auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Paritätische Wohlfahrtsverband für Änderungen der bisherigen Berechnungsgrundlage ein. Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände wies am Montag, dem 16. Juni 2008 in einer Anhörung des Sozialausschusses zu drei Oppositionsanträgen darauf hin, dass die Ableitung der Regelsatzhöhen für Kinder und Jugendliche von den allgemeinen Regelsätzen der Sozialhilfe und des Arbeitslosengeldes II (Alg II) deren Bedarf nicht angemessen berücksichtige. Während anteilige Mittel beispielsweise für alkoholische Getränke und Zigaretten bei Kindern überflüssig seien, werde die Finanzierung der Mittagsverpflegung in Ganztagseinrichtungen oder die notwendige Ausstattung zu Schuljahresbeginn nicht im Kinder-Regelsatz berücksichtigt, sagte Regine Offer für die Bundesvereinigung.
Der DGB sprach sich für einen eigenständigen Regelsatz für Kinder aus. Kinderspezifische Bedarfe insbesondere für Bildung und Gesundheit müssten dabei stärker berücksichtigt werden. Grundsätzlich solle der monatliche Regelsatz von Alg II und Sozialhilfe, der zurzeit bei 345 Euro liegt, auf Basis eines unabhängigen Expertengutachtens vom Deutschen Bundestag festgesetzt werden. Auch aus Sicht der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) spricht "viel dafür, den Regelsatz und die hiervon abgeleitete Höhe des Sozialgelds durch eine unabhängige Expertenkommission nach objektiven, wissenschaftlichen Kriterien ermitteln zu lassen". In diesem Zuge sei auch der Bedarf von Kindern objektiv festzustellen. Grundsätzlich, so der BDA-Arbeitsmarktexperte Stefan Hoehl, sei die weitgehende Pauschalierung von Sachleistungen richtig. Sollten aber bestimmte Leistungen, die Kindern und Jugendlichen zugute kommen, besser als Einzel- oder Naturalleistung zu erbringen sein, so sei dies geboten.
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, unterstrich, die derzeitige Ableitung des Regelsatzes für Kinder aus dem Regelsatz für allein lebende Erwachsene sei "sachlich in keiner Weise zu rechtfertigen". Der Kinderregelsatz von derzeit 208 Euro monatlich grenze Kinder von der musischen Bildung und der Mitwirkung in Sportvereinen aus. Um in dem bisherigen Statistikmodell zu bleiben, müssten die entsprechenden Ableitungen aus den Ausgaben von Haushalten mit Kindern erfolgen, so Schneider. Die Expertin des Statistischen Bundesamtes, Anette Stuckemeier, bestätigte, dass diese Berechnungen aus den EVS-Daten möglich seien. Datengrundlage der Bemessung der Regelsätze ist die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes, die alle fünf Jahre erhoben wird. In der Zwischenzeit erfolgt die Fortschreibung der Regelsätze anhand des jeweiligen aktuellen Rentenwertes.
Die Linke fordert in ihrem Antrag ( 16/7040), den Eckregelsatz kurzfristig von jetzt 347 auf 435 Euro monatlich anzuheben. Die derzeitige Höhe der Regelleistungen reiche nicht aus, "um die notwendigen Bedarfe der Berechtigten zu decken". Darüber hinaus sollten Schülern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres jeweils zu Beginn eines Schulhalbjahres Leistungen in Höhe von 20 Prozent der für Schüler maßgeblichen Regelleistung zur Beschaffung von besonderen Lernmitteln - mit Ausnahme von Schulbüchern - gewährt werden.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hält eine Anhebung der Regelsätze ebenfalls für geboten. In ihrem Antrag ( 16/7113) schreiben die Abgeordneten, dass die Regelsatzleistungen gegenwärtig "in ihrer Höhe nicht dauerhaft Existenz sichernd sind". Sie verlangen deshalb, die Anpassung der Regelsätze künftig an den Lebenshaltungskostenindex zu koppeln. Ferner fordert die Fraktion, die Regelsätze für Kinder und Jugendliche auf eine neue Berechnungsgrundlage zu stellen. In einem weiteren Antrag ( 16/8761) verlangen die Grünen, die sozialen Regelleistungen für Kinder sofort an die laufende Preisentwicklung anzupassen. Zudem müssten armen Kindern Lernmittel, Mahlzeiten im Rahmen der Ganztagsbetreuung und die Teilnahme an kommunalen Sport- und Musikangeboten gewährt werden. Auch die Kosten für die Schülerbeförderung seien in begründeten Fällen vom Staat zu übernehmen, falls keine Erstattung durch das Bundesland vorgesehen sei, heißt es.