Öffentliche Anhörungen des Finanzausschusses
Das Vorhaben der Bundesregierung, Doppelverdiener-Ehepaaren vom Jahr 2010 zu ermöglichen, ihren Lohnsteuerabzug mit Hilfe eines Faktors untereinander neu verteilen zu können, stieß bei der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum Jahressteuergesetz 2009 ( 16/10189) auf wenig Begeisterung. Bei diesem "optionalen Faktorverfahren" soll für beide Ehepartner die Steuerklasse IV angewendet werden, um den zumeist bei Frauen hohen Lohnsteuerabzug bei der gewählten Steuerklassenkombination III/IV abzumildern. Ziel ist es, etwaige Hemmnisse für eine Arbeitsaufnahme bei Alleinverdiener-Paaren zu beseitigen.
Christel Riedel vom Deutschen Frauenrat nannte das Faktorverfahren "viel zu kompliziert". Sie bedauerte, dass es neben der Individualbesteuerung und dem Splittingverfahren noch eine weitere Variante geben soll. Viele Ehepaare würden durch das komplizierte Berechnungsverfahren in "tiefe Ratlosigkeit" gestürzt. Prognosen zufolge würden nur fünf Prozent der Ehepaare davon Gebrauch machen. Der Deutsche Frauenrat würde dagegen nach ihren Worten eine Individualbesteuerung befürworten, wobei jedem Ehepartner die ihm zustehenden Freibeträge in vollem Umfang belassen werden.
Auch aus Sicht von Ulrike Spangenberg vom Deutschen Juristinnenbund führt das Verfahren weder zu mehr Transparenz bei den Eheleuten noch zu einer Vereinfachung des Steuerrechts. Auch wirke sich das Verfahren nur auf den monatlichen Lohnsteuerabzug aus, während beim Lohnsteuerjahresausgleich der Splittingvorteil wieder ins Gewicht falle. Anita Käding vom Bund der Steuerzahler hob auf den bürokratischen Aufwand ab und meinte, das Verfahren schüre die Hoffnung, man werde während des Jahres netto mehr ausgezahlt bekommen. Sie riet wie Hartmut Schwab von der Bundesteuerberaterkammer dazu, sich bei Lohnersatzleistungen nicht mehr am Netto-, sondern am Bruttogehalt zu orientieren. Schwab sagte, er lehne das Verfahren nicht ab, sehe aber auch keinen großen Nutzen. Eine Verbesserung gegenüber dem jetzigen Zustand sah dagegen Hartmut Tofaute vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Allerdings scheine die Regierung die administrativen Probleme nicht zu sehen, so Tofaute.
Einige Sachverständige traten dafür ein, die geplante Kappungsgrenze für die steuerliche Absetzbarkeit von Schulgeld für Privatschulen von 3.000 Euro jährlich auf 5.000 Euro anzuheben. So sagte Marie-Luise Stoll-Steffan als Vertreterin der Internationalen Schule Frankfurt am Main, ihre Schule nehme einen besonderen Bildungsauftrag war. Dort würden die Kinder ausländischer Familien, die für ein paar Jahre in Deutschland leben, unterrichtet. Ausdrücklich betonte sie, dass es dort keine Leistungsauslese gebe und dass es sich dabei nicht um eine Eliteschule handele. Professor Frank-Rüdiger Jach von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg hielt es für nachvollziehbar, dass mit der Absetzbarkeit von Schulgeld, die aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs EU-weit gewährt werden soll, nicht sehr teure Eliteschulen mitfinanziert werden sollten. In diesem Fall gehe es jedoch um EU-Bürger, die von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machten. Hartmut Tofaute vom DGB sagte, dann müssten allerdings auch Studiengebühren als Sonderausgaben absetzbar sein. Ebenso müsse die Berufsausbildung steuerlich mit der Schulausbildung gleichgestellt werden.
Wenn es nach dem Willen von Sachverständigen geht, soll die Abgabe von elektronischen Steuererklärungen durch Unternehmen vorerst freiwillig bleiben. Dies wurde im zweiten Teil der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum Regierungsentwurf eines Steuerbürokratieabbaugesetzes ( 16/10188) am Mittwochnachmittag deutlich. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass vom Veranlagungsjahr 2011 "standardmäßig" alle Steuererklärungen von Unternehmen elektronisch an die Finanzbehörden übermittelt werden sollen. Um "unbillige Härten" zu vermeiden, sollen die Finanzämter allerdings auch auf eine elektronische Übermittlung verzichten können. Vorgesehen ist ebenso, dass die Inhalte der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung für Wirtschaftsjahre ab 2011 elektronisch zum Finanzamt gelangen. Umfangreiche Papiere sollen dann nicht mehr eingereicht werden müssen.
Dieter Ondracek von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft räumte ein, dass es in den Finanzämtern zu Anfangsschwierigkeiten kommen könne. Die Unternehmen würden die Steuerdaten ohnehin bereits elektronisch vorhalten, eine "Buchführung per Hand" gebe es nicht mehr. Hartmut Schwab von der Bundessteuerberaterkammer sagte, die elektronische Übertragung sei auch bei Steuerberatern noch nicht soweit verbreitet wie das wünschenswert wäre. Die Überlegung sei, dass man ohnehin häufig noch Belege in Papierform einreichen müsse und sich dann dafür entscheide, die Steuererklärung zusammen mit den Papier-Belegen abzuschicken.
Anita Käding vom Bund der Steuerzahler plädierte dafür, im Gesetz zu regeln, wann ein Härtefall vorliegt, sonst könne es in der Praxis zu Problemen kommen. Auch sprach sie sich für längere Übergangsfristen aus, um eine "Entzerrung" zu erreichen. Heinz-Udo Schaap vom Zentralen Kreditausschuss der deutschen Banken ging auf die Problematik der elektronischen Signatur ein, die nach den jetzigen Plänen an eine konkrete Person gebunden sei. Schaap hielt dieses Instrument für "zu eng". Der Zentrale Kreditausschuss habe vorgeschlagen, ein "elektronisches Siegel" einzuführen, das die Authentizität und Integrität von elektronisch übermittelten Dokumenten sicherstellt. Das Siegel würde sich auf ein Unternehmen, nicht auf eine konkrete Person beziehen, was für die Unternehmen mehr Flexibilität bei gleich hoher Sicherheit bedeuten würde. "Das wäre eine echte bürokratische Erleichterung", so Schaap, um auch andere steuerrelevante Dokumente wie etwa Kontoauszüge und Rechnungen zu übermitteln.
Keine Bedenken gegen die geplante Anhebung der Schwellenwerte für monatlich abzugebende Lohnsteuer-Anmeldungen von 3.000 Euro auf 4.000 Euro und für vierteljährliche Anmeldungen von 800 Euro auf 1.000 Euro hatten sowohl Dieter Ondracek von der Steuer-Gewerkschaft als auch Michael Herzog vom Bundesverband der Deutschen Industrie.