Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie
Die Frage, wie mit sozialen oder ökologischen
Gesichtspunkten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge
umzugehen ist, haben Vertreter der Wirtschaft und der
Gewerkschaften am Montag, dem 13. Oktober 2008, in einer
öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses
unterschiedlich bewertet. Gegenstand der Anhörung sind der
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des
Vergaberechts (
16/10117) sowie Anträge der FDP (
16/9092), der Linksfraktion (
16/6930;
16/9636) und von Bündnis 90/Die
Grünen (
16/6791;
16/8810) zu diesem Thema. Der Regierungsentwurf
sieht vor, dass für die Auftragsausführung
zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden
können, die "insbesondere soziale, umweltbezogene oder
innovative Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang
mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der
Leistungsbeschreibung ergeben".
Zentral ist dabei die Frage, ob von Auftragnehmern verlangt
werden kann, dass sie sich "tariftreu" verhalten, vor allem also
die tariflichen Löhne zahlen. Hermann Summa,
Richter am Oberlandesgericht Koblenz, sagte, man müsse
akzeptieren, dass es in der EU Mitgliedstaaten gebe, deren
Preis- und Lohnniveau unterhalb des deutschen liege. Der
EG-Vertrag
erlaube jedem Unternehmen, diesen Wettbewerbsvorteil in einem
anderen Mitgliedsland auszunutzen. Einzige Ausnahme aus
EU-rechtlicher Sicht sei die Entsenderichtlinie, umgesetzt im
deutschen Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Wenn sich die Politik auf
einen gesetzlichen Mindestlohn einigen würde, so Summa,
könnte ein Bieter, der nicht gewährleisten kann, diesen
Lohn zu zahlen, wegen "Unzuverlässigkeit" vom Verfahren
ausgeschlossen werden.
Thorsten Schulten vom Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftlichen Institut der gewerkschaftsnahen
Hans-Böckler-Stiftung räumte ein, dass derzeit nur nach
dem Entsendegesetz für "allgemeinverbindlich" erklärte
Tarifverträge zur Grundlage des Vergaberechts gemacht werden
können. Schulten warb dafür, die
"Allgemeinverbindlichkeit" von Tarifverträgen in Deutschland
zu stärken. Während in der Deutschland nur 1,5 Prozent
der Tarifverträge allgemeinverbindlich würden, seien es
in Frankreich 90 Prozent. Gregor Asshoff von der
Industriegewerkschaft Agrar-Bauen-Umwelt sprach die "wahrscheinlich
dominierende kommunale Praxis" bei der Auftragsvergabe an, dass
einige Kriterien akzeptiert würden und andere nicht, je
nachdem, wie teuer und wie aufwändig sie seien. Wenn man
beispielsweise das Verbot der Kinderarbeit wirksam durchsetzen
wolle, müssten die Anbieter Zertifizierungen vorlegen, die von
glaubwürdigen Zertifizierungsstellen stammen.
Christoph Schäfer vom Gesamtverband Textil
und Mode bestätigte, dass in diesem Fall objektive Nachweise
benötigt würden. Zertifikate kosteten "richtig viel
Geld". Diese Kosten müssten auf die Angebote aufgeschlagen und
damit letztlich vom Steuerzahler bezahlt werden. Niels
Lau vom Bundesverband der Deutschen Industrie sprach von
"vergabefremden Kriterien", die besser woanders als im Vergaberecht
umgesetzt werden sollten. Sie führten zu einem hohen Aufwand
bei der Leistungsbeschreibung und bei der Kontrolle, zu Mehrkosten
und Verzögerungen, die "nicht gewollt sein können".
Felix Pakleppa vom Zentralverband des Deutschen
Baugewerbes wies auf den vorhandenen Mindestlohn in der Baubranche
hin, dessen Überprüfung in der Praxis "problematisch"
sei. Würde dies im Vergaberecht eingeführt, wäre die
Folge mehr Bürokratie, so Pakleppa.
Aufteilung in Fach- und Teillose umstritten
Der Regierungsentwurf sieht zudem vor, den Mittelstand bei der Auftragsvergabe noch eher zum Zuge kommen zu lassen, indem die Klausel, dass Aufträge in Fach- und Teillose aufzuteilen sind, verstärkt werden soll. Während Alexander Barthel vom Zentralverband des Deutschen Handwerks diese Änderung ausdrücklich guthieß, stieß sie bei Michael Werner vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie auf wenig Gegenliebe. Der Zwang zur Vergabe in Losen kollidiere mit der Forderung nach wirtschaftlichem Einkauf und sparsamer Verwendung von Steuergeldern, wie sie das Vergaberecht vorsieht. Dies sei eine "unwirtschaftliche Zersplitterung", so Werner, die dem Mittelstand mehr schade als nütze.