Sachverständige empfehlen bundeseinheitliche Standards
Die Finanzierung von Frauenhäusern könnte durch
bundeseinheitliche Standards und sachgerechte Pauschalen wesentlich
verbessert werden. Darin waren sich die meisten
Sachverständigen während der öffentlichen
Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend am Mittwoch, dem 12. November 2008, einig.
Oft würden Häuser, in denen Frauen mit ihren Kindern
Zuflucht vor gewalttätigen Partnern finden können, aus
mehreren Töpfen finanziert, so die Sachverständigen. In
vielen Bundesländern erhielten die Häuser außerdem
für Frauen, deren Aufenthalt mit Arbeitslosengeld II bezahlt
werde, nur Tagessätze. Beide Tatsachen erschwerten die
Finanzierung erheblich.
„Die individuelle Leistungsabrechnung über das
Sozialgesetzbuch II deckt nicht alle Kosten ab“, sagte
Nicola Leiska-Stephan vom Deutschen Verein
für öffentliche und private Fürsorge.
Beratungsangebote würden dadurch beispielsweise nicht
finanziert. „Die Konsequenz ist, dass die Häuser
entweder ein Minus machen oder hilfsbedürftige Frauen
ablehnen“, so Leiska-Stephan. Auch Susanne
Köhler vom Deutschen Juristinnenbund sah
Handlungsbedarf. Eine bundeseinheitliche Regelung sei mit dem
Grundgesetz vereinbar und somit rechtlich möglich. Derzeit sei
die „bundesweite Funktionsfähigkeit der Häuser
nicht sichergestellt“, sagte Köhler.
Dagmar Hebmüller von der Bundesagentur
für Arbeit hob die besondere Situation von Studentinnen,
Auszubildenden, Migrantinnen und Asylbewerberinnen hervor.
Studentinnen und Auszubildende seien vom Arbeitslosengeld II
ausgeschlossen, sofern sie prinzipiell BAföG beziehen
könnten. Auch ausländische Frauen könnten nicht
immer auf das so genannte Hartz IV zurückgreifen, um ihren
Aufenthalt im Frauenhaus zu finanzieren.
Viktoria Nawrath von Frauenhauskoordinierung
e.V. betonte zudem die Schwierigkeit von Ausländerinnen, die
aufgrund ihres Aufenthaltsstatusses nicht den Bezirk wechseln
dürften. Das mache den Schritt ins Frauenhaus teilweise
schwieriger. Die Kopplung an das Zweite und das Zwölfte
Sozialgesetzbuch bedeute, dass der Aufenthalt im Frauenhaus
lediglich als Maßnahme zur beruflichen Wiedereingliederung
angesehen werde. „Frauenhäuser müssen
länderübergreifend zur Verfügung stehen, auch
deswegen brauchen wir eine verlässliche Finanzierung aus einer
Hand“, sagte Nawrath.
Grundlage der Anhörung waren je ein Antrag der Fraktionen FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke ( 16/8889, ( 16/10236, 16/6928). Die Liberalen fordern, die Bundesregierung solle bis Ende des Jahres einen Bericht zur Lage der Frauenhäuser vorlegen.
Nach dem Willen der Grünen soll die Regierung mit den Ländern Gespräche über eine bedarfsgerechte Versorgung der Häuser führen. Blieben die Gespräche fruchtlos, solle die Regierung bis Frühjahr 2009 einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Die Linke will die Auswirkungen der SGB II-Tagessätze auf die Finanzierung von Frauenhäusern und die Möglichkeit bundeseinheitlicher Finanzierungsregeln prüfen lassen.
Die Linksfraktion verlangt in ihrem Antrag dass
Frauenhäuser losgelöst von den Regelungen zum
Arbeitslosengeld II finanziert werden. Derzeit seien Frauen ohne
eigenes Einkommen gezwungen, Eingliederungshilfe für
Arbeitsuchende zu beantragen, um ihren Aufenthalt im Frauenhaus zu
finanzieren, während Frauen ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld
II zu Selbstzahlerinnen würden und den Aufenthalt in einem
Frauenhaus häufig nicht finanzieren könnten.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen setzt sich schließlich für eine bedarfsgerechte Versorgung mit Frauenhausplätzen ein Dazu sollte die Regierung mit den Ländern verhandeln. Falls die Gespräche nicht bis zum 1. März 2009 zum Erfolg führen, solle die Regierung gesetzlich gewährleisten, dass jede von Gewalt betroffene Frau mit ihren Kindern in ganz Deutschland kostenlosen Anspruch auf einen Platz in einer Schutzeinrichtung einschließlich Beratung und Unterstützung erhält.
Dagmar Hebmüller, Bundesagentur für Arbeit
Rechtsanwalt Prof. Dr. Klaus Finkelnburg, Fachanwalt für öffentliches Recht
Rechtsanwältin Susanne Köhler, Deutscher Juristinnenbund
Nicola Leiska-Stephan, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
Viktoria Nawrath, Frauenhauskoordinierung e.V.
Prof. Dr. Klaus Rennert, Bundesverwaltungsgericht
Regina Selker, Ministerium für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein
Claudia Siegl, Koordinierungsstelle der Autonomen Frauenhäuser in Baden-Württemberg
Marion Steffens, Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser