Steinmeier und Fischer sagten vor dem Untersuchungsausschuss aus
Als "absurd" und "aberwitzig" hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier Versuche bezeichnet, aus dem Einsatz zweier Agenten des Bundesnachrichtendienstes in Bagdad während des Irak-Feldzugs der USA im Frühjahr 2003 eine Beteiligung Deutschlands an diesem Waffengang abzuleiten. Diese war von der damaligen Bundesregierung abgelehnt worden.
Zum Auftakt seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss
erklärte der damals als Chef des Kanzleramts amtierende
SPD-Politiker am Donnerstag, dem 18. Dezember 2008, die von Pullach
zum Teil an das US-Hauptquartier in Katar weitergeleiteten
Meldungen der BND-Mitarbeiter aus Bagdad
hätten nicht der "operativen Kriegführung" dienen
dürfen. Diese "rote Linie" sei nicht überschritten
worden.
Kooperation als Balanceakt
Die nach Katar übermittelten BND-Erkenntnisse seien lediglich in allgemeine militärische Lagebilder der US-Armee eingeflossen. Steinmeier bezeichnete die Vorstellung als "irrwitzig", dass zwei deutsche Agenten die Kriegführung einer 150.000-Mann-Streitmacht hätten beeinflussen können, die "mit allen technischen Aufklärungsmitteln" ausgerüstet und für die zudem im Irak eine Vielzahl von Informanten tätig gewesen sei.
Die Kooperation des BND mit US-Diensten sei natürlich ein
"Balanceakt" gewesen. Doch habe er keinen Zweifel, dass Pullach die
Vorgaben für die Beschränkungen bei der
Informationsweitergabe nach Katar beachtet habe.
"Alte Rechnungen begleichen"
Entschieden wies der Minister Äußerungen einiger während des Irak-Kriegs an führender Stelle aktiven US-Militärs in deutschen Medien und vor allem im "Spiegel" zurück, die nach Katar gelangten Meldungen der beiden BND-Mitarbeiter seien von "unschätzbarem Wert" für die US-Strategie gewesen.
"Auf diese Weise wolle man aus dem Pentagon "alte Rechnungen
begleichen", kritisierte Steinmeier. Offenbar solle der ehemaligen
deutschen Regierung nachträglich eine Mitverantwortung
für die falsche Entscheidung der USA aufgebürdet
werden, den Irak-Krieg zu beginnen. Er sprach von
"Räuberpistolen" in Medien.
"Tote Flugente"
Rückendeckung erhielt der Sozialdemokrat vom früheren Außenminister Joschka Fischer. Der Grünen-Politiker bezeichnete die Thesen der amerikanischen Ex-Generäle als "tote Flugente" des "Spiegel". Die inhaltliche Substanz der Vorwürfe sei "sehr gering".
So solle etwa die US-Armee einen Angriff auf einen Bagdader Airport
wegen der Erkenntnisse der BND-Agenten unterlassen haben,
wobei sich deren Meldungen in Wahrheit auf einen anderen Flughafen
bezogen hätten. Fischer zweifelte die Glaubwürdigkeit
dieser Zeugen an.
"Küsse voller Gift"
Das Auftreten der US-Militärs in hiesigen Medien habe auch damit zu tun, "dass Steinmeier SPD-Kanzlerkandidat ist". Das Lob aus den USA für die BND-Informationen charakterisierte Fischer als "Küsse voller Gift". Steinmeier sagte, für Wahlkampfvorbereitungen sei der Untersuchungsausschuss der falsche Ort.
Fischer wies die Kritik, die frühere Regierung habe im Falle
des Irak-Kriegs "anders gehandelt als gesprochen", als
"völligen Quatsch" zurück. Hinter dem BND-Einsatz in Bagdad verberge
sich kein "Doppelspiel", so der Ex-Außenminister. Im
Vergleich zu den trotz des deutschen Neins zum Krieg der
US-Luftwaffe gewährten
Überflugrechten in Deutschland sei die BND-Aktion eine
"Nebensächlichkeit" gewesen, die jetzt "aufgebauscht"
werde.
"Üblen Verrats bezichtigt"
Dass die Pullacher Meldungen seinerzeit von den USA nicht als Kriegsbeteiligung gedeutet worden seien, zeige sich schon daran, dass der damalige Kanzler Gerhard Schröder bei der US-Regierung "fast als Gottseibeiuns" gegolten habe. Berlin habe man des "üblen Verrats" bezichtigt: "Wir stießen in Washington auf eisige Ablehnung."
Auch Steinmeier meinte, die US-Regierung wäre wohl kaum so
verärgert über die Deutschen gewesen, wenn diese "im
Hintergrund verstohlen" beim Krieg mitgewirkt hätten.
Knapp an der Kündigung der
Bündnisloyalität
Wie Fischer rechtfertigte der SPD-Politiker die Fortführung der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit wie auch die Überflugrechte für die US-Luftwaffe oder die Erlaubnis zur Nutzung hiesiger Militärbasen mit dem Hinweis, trotz des Neins zum Krieg habe man die Bündnisverpflichtungen nicht in Frage gestellt. Die Ablehnung einer solchen Kooperation, so Fischer, hätte damals knapp an die "Kündigung der Bündnisloyalität" herangereicht.
Aus Sicht Steinmeiers kann man den BND-Einsatz in Bagdad auch deshalb
nicht als Kriegsbeteiligung deuten, weil Pullach mit seinen
Recherchen das Nein der Regierung zu diesem Feldzug wesentlich
unterfüttert habe.