Wodarg-Bericht Thema der Parlamentarierversammlung des Europarats
Der stellvertretende Leiter der Bundestagsdelegation
äußert sich im Interview zu seiner Forderung nach einer
Europarats-Charta, die auf eine rechtsstaatliche Kontrolle dieser
Branche zielen und die parlamentarischen Kontrollrechte
stärken soll.
Der Europarat soll sich für Rechtsstaatlichkeit
engagieren. Was hat die Kritik an privaten Militärfirmen mit
diesem Auftrag zu tun?
Ein Staat, der nicht mehr polizeilich und militärisch das Gewaltmonopol hat, kann schwerlich Rechtsstaatlichkeit durchsetzen. Das staatliche Gewaltmonopol wird nicht nur durch Warlords in Afrika oder Afghanistan, sondern auch durch den Einfluss von Konzernen bedroht, die mit Militär und Polizei Geschäfte machen.
Aber ist das Problem so massiv, dass sich mit dem Europarat
erstmals eine internationale Organisation damit befassen
muss?
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs setzte der immer noch ungebrochene Boom dieses globalisierten Marktes ein. Zunächst verdienten Ex-Militärs mit ihrem Know-how in instabilen afrikanischen Staaten Geld. Mittlerweile stützen sich auch viele andere Länder wie etwa die USA oder Großbritannien auf diesen Sektor. Weltweit sind schon 1,5 Millionen private Söldner, Wachleute, Geheimdienstler oder Leibwächter für über 1.000 Unternehmen tätig. Im Irak stellen Söldner die Hälfte der für die USA kämpfenden Truppen. 2008 setzte die Branche 200 Milliarden Dollar um. Zu den größten Konzernen gehören etwa Lockheed und Blackwater in den USA oder Aegis in England.
Wo liegen die Haupteinsatzgebiete solcher
„Dienstleister“?
Viele Unternehmen arbeiten für Öl- oder Rohstofffirmen. In Afrika unterhalten Warlords Privatarmeen, Gleiches gilt in Mittel- und Südamerika für Latifundienbesitzer. Augenfällige Beispiele für Einsätze im Staatsauftrag sind Irak und Afghanistan. In Europa sind neben Großbritannien beispielsweise Dänemark und Belgien als staatliche Auftraggeber zu nennen, in Deutschland ist das noch selten der Fall. Ein neues Einsatzgebiet ist die Piraterie vor Somalia.
In der Praxis agieren private Militärs doch wie
offizielle Truppen. Läuft das nicht aufs Gleiche
hinaus?
Reguläre Soldaten unterliegen dem Kriegsrecht der Genfer Konvention. Bei Söldnern hingegen ist unklar, welches Recht für sie gilt. Wer soll etwa Übergriffe ahnden, die Kämpfer aus Bangladesch begehen, die im Irak für eine von Washington angeheuerte britische Firma im Einsatz sind? Für Misshandlungen irakischer Häftlinge in Abu Ghraib wurden untere Chargen der US-Armee bestraft, nicht hingegen die für einen privaten Wachdienst tätigen Befehlsgeber.
Wie aber sollen staatliches Gewaltmonopol und
parlamentarische Kontrolle der Militärpolitik ausgehöhlt
werden, wenn der Staat als Auftraggeber der Sicherheitsfirmen die
Dinge im Griff hat?
Die parlamentarische Kontrolle steht weithin auf dem Papier. Im Grunde legitimieren Abgeordnete mit pauschalen Beschlüssen Regierungen, obskure Dinge zu tun. Wegen der verschachtelten und oft geheimen Verträge mit Unternehmen kann eine parlamentarische Aufsicht so gut wie nicht wahrgenommen werden. In den USA muss die Regierung den Kongress über Aufträge unter 50 Millionen Dollar gar nicht erst unterrichten.
Aber die politische Macht bleibt doch in den Händen
des Staats.
Wenn wie in Großbritannien das Militär von kommerziellen Diensten abhängig ist, dann wird es politisch gefährlich. In Guatemala beherrschen die Kaffeebarone mit ihren Söldnern faktisch das Land. Politisch das Schlimmste indes ist, dass Militärkonzerne wirtschaftlich von gewalttätigen Spannungen leben, sie haben kein Interesse daran, Kriege abzuwenden und Konflikte friedlich zu lösen.