Parlament beriet über den Jahreswirtschaftsbericht 2009
Angesichts der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise stehe die
deutsche Wirtschaft vor den „größten
Herausforderungen seit der Wiedervereinigung“, so der
Jahresbericht 2009 mit dem Titel "Konjunkturgerechte
Wachstumspolitik" (
16/11650). Die kurzfristigen
Wachstumsperspektiven hätten sich „drastisch
verschlechtert“. Aus diesem Grund rechnet die Bundesregierung
nun für 2009 mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts
(BIP) von 2,25 Prozent.
Ohne das beschlossene Konjunkturpaket wäre ein „deutlich
stärkerer Rückgang“ wahrscheinlich gewesen,
heißt es in dem Bericht. Bislang ging die Regierung noch von
einem Plus von 0,2 Prozent aus. Der Sachverständigenrat hatte
im November allerdings in seinem Jahresgutachten 2008/09 (
16/10985) von einer stagnierenden
Wirtschaftsleistung mit „hohen Abwärtsrisiken“
gesprochen. Nun korrigiert die Bundesregierung auch diese Prognose
deutlich nach unten.
Binnennachfrage konstant, doch Exporte stark
rückläufig
Hauptverantwortlich für diesen Abschwung ist nach Auffassung der Bundesregierung die Auslandsnachfrage: Der frühere Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft sei ins Stottern geraten und werde im kommenden Jahr deutlich schwächer werden.
Die Binnennachfrage dagegen sinke gegenüber dem Vorjahr nur um
0,1 Prozent, der private Konsum steige um 0,8 Prozent. Das
könne die gesamtwirtschaftliche Abwärtsentwicklung
stabilisieren, jedoch nicht kompensieren. Der
Sachverständigenrat war in diesem Punkt zu ähnlichen
Prognosen gekommen.
Stabile Verbraucherpreise
Positiv wertet die Bundesregierung den Rückgang der Rohstoffpreise. Dies werde die im vergangenen Jahr extrem gestiegenen Verbraucherpreise deutlich senken und die Kaufkraft der Privathaushalte erhöhen. So geht der Bericht insgesamt nur von einer minimalen Erhöhung der Verbraucherpreise um 0,5 Prozent aus.
Grundsätzlich rechnet die Bundesregierung, dass der private
Konsum auch durch die im Konjunkturpakt beschlossenen
Maßnahmen im Steuer- und Abgabenbereich zunimmt.
Arbeitslosenquote steigt auf 8,4 Prozent
Zeigte sich der Arbeitsmarkt bis jetzt noch relativ stabil, so erwartet die Bundesregierung, dass sich die Rezession auch dort deutlich bemerkbar machen wird. So schätzt sie, dass die Arbeitslosenquote um 0,6 auf 8,4 Prozent in diesem Jahr steigen wird. Das bedeutet ein Anwachsen der Arbeitslosenzahl um 500 000 auf durchschnittlich 3,5 Millionen. Das Gutachten des Sachverständigenrates hatte im November noch eine Arbeitslosenzahl von 3,3 Millionen für wahrscheinlich gehalten.
Die Regierung betont in ihrem Bericht, grundsätzlich sei mit
einem „weniger ausgeprägten Abbau von
Arbeitsplätzen als in vorangegangenen Abschwungphasen“
zu rechnen. Wirtschaftsexperte, wie etwa vom Kieler Institut
für Weltwirtschaft beziffern hingegen bei einem derart starken
Konjunktureinbruch den Anstieg der Arbeitslosenzahl auf eine
Million.
„Abschwung endet im Sommer“
Trotz dieser düsteren Prognosen zeigte sich Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) optimistisch: Das Konjunkturpaket könne eine „Brücke“ zu wieder mehr Wachstum und Beschäftigung bauen. Bei der Bewältigung der Krise profitiere die deutsche Wirtschaft aber auch von einer erheblich besseren Verfassung. Die Unternehmen seien heute wettbewerbsfähiger. Durch die Beschäftigungspolitik habe die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zugenommen.
Auch die Situation auf dem Arbeitsmarkt sei derzeit sehr gut:
„Wir gehen gut gerüstet in die Krise“, sagte Glos.
So sieht er auch wieder Licht am Ende des Tunnels: „Eine
Wende bei der Wirtschaftsentwicklung könnte schon in der
zweite Hälfte des Jahres eintreten.“
Reaktion der Fraktionen
Gegenüber diesem Optimismus zeigte sich die FDP skeptisch: „Gerade was die Beschäftigungszahlen angeht, denken wir eine andere Entwicklung zu bekommen“, sagte Ernst Burgbacher. Der FDP-Abgeordnete kritisierte zudem, der Jahreswirtschaftsbericht sei nicht mehr als eine „konjunkturelle Bestandsaufnahme“. Der Bundesregierung fehle der „Kompass“, für die Wirtschaftspolitik. Burgbacher mahnte weitere Entlastungen für Bürger und Betriebe an: „Sie tun zu wenig, um die Binnennachfrage zu stärken."
Auch Ludwig Stiegler forderte, die Binnennachfrage zu stärken:
„Sonst stehen wir weiter schief auf zwei Beinen.“
Darüber hinaus mahnte er an, das Bankensystem zu
konsolidieren. „Wenn wir das nicht schaffen, kommen wir nicht
aus der Krise“, sagte der SPD-Abgeordnete. „Keine
Erholung der Weltwirtschaft ohne eine Erholung der
Finanzwirtschaft“, so Stiegler.
Kritik der Opposition
Oskar Lafontaine (Die Linke) warf der Regierung vor, sie habe es bislang versäumt, Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte zu ergreifen. Dies sei aber „conditio sine qua non“, Voraussetzung für das Ende der Krise. Zudem kritisierte der Vorsitzende der Linksfraktion, die Regierung stelle den Banken Milliarden zur Verfügung, ohne darauf zu achten, dass sie nicht verschwänden. „Das ist Veruntreuung von Steuergeldern!“ Zudem seien die im Konjunkturpaket enthaltenen Investitionen in dieser Krise viel zu gering.