Datenschutz beim Adresshandel unter Sachverständigen umstritten
Die Absicht der Bundesregierung, die Verwendung personenbezogener Daten zu Werbezwecken oder zur Markt- und Meinungsforschung künftig grundsätzlich nur noch mit ausdrücklicher Einwilligung der Betroffenen zuzulassen, ist unter Experten umstritten. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am 23. März 2009 deutlich. Derzeit ist die Übermittlung oder Nutzung von Daten zulässig, wenn es sich um listenmäßig zusammengefasste Daten über Angehörige einer Personengruppe handelt, die sich auf Beruf, Name, Titel, akademischen Grad, Anschrift, Geburtsjahr und Angabe über die Zugehörigkeit des Betroffenen zu dieser bestimmten Personengruppe beschränken.
Während sich Daten- und
Verbraucherschützer für die in dem Gesetzentwurf der
Bundesregierung (
16/12011) geplanten Änderungen
aussprachen, lehnten unter anderem Vertreter der
Zeitschriftenverleger und des Versandhandels die Abkehr von der
Widerspruchs-Regelung (Opt-out-Verfahren) zur
Einwilligungs-Regelung (Opt-in-Verfahren) ab.
Als "massiven Schlag gegen die Pressevielfalt" bezeichnete Dr. Christoph Fiedler vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger die Abschaffung des Listenprivilegs. Der Verlust dieser Leserwerbemöglichkeit könne Existenz bedrohende Auswirkungen für viele Presseprodukte haben. Die richtige Lösung sei es, die Zulässigkeit von Werbebriefen bis zum Widerspruch für alle Wirtschaftszweige beizubehalten, so Fiedler.
Wenn jedoch an dem seiner Ansicht nach verfehlten Richtungswechsel
festgehalten werde, müsse die Ausnahme vom Opt-in-Erfordernis
nicht nur für Spenden- und Parteispendenwerbung, sondern auch
für die Bewerbung oder Versendung von Presseprodukten gelten.
Eine Umstellung auf die Einwilligungsregelung würde auch den
Versandhandel treffen, sagte Rolf Schäfer vom
Bundesverband des Deutschen Versandhandels. Für seine Branche
sei die "adressierte Werbung" unverzichtbar.
Schäfer verwies darauf, dass das Listenprivileg in keinem Zusammenhang mit den Datenskandalen der vergangenen Monate stünde. "In hundert Jahren Versandhandel hat es keinen Missbrauchskandal gegeben", so Schäfer.
Wenig nachvollziehbar ist es aus seiner Sicht auch, wenn in der
Gesetzesbegründung davon die Rede ist, dass sich die
Verbraucher von Werbung per Post belästigt fühlten. Bei
Werbebriefen sei es tatsächlich so, dass lediglich knapp ein
Prozent der deutschen Bevölkerung explizit keine
personalisierte schriftliche Werbung mehr erhalten möchte.
Eine Trennung der Markt- und Meinungsforschung von Werbung und
Adresshandel forderte Hartmut Scheffler vom
Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute. Eine
Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit von Listen für
die Stichprobenziehung würde die repräsentative Befragung
zu Zwecken der Markt-, Meinungs- und Sozialforschung unmöglich
machen.
Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, sieht in der Streichung des Listenprivilegs und der Einführung des Opt-in-Verfahrens das "richtige Signal", um das Selbstbestimmungsrecht der Bürger in der Privatwirtschaft zu stärken. Zudem schaffe die Regelung einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Betroffenen und denen der werbenden Unternehmen.
Die Kritik der Wirtschaftsverbände an der Neuregelung sei
"überzogen", sagte Cornelia Tausch vom
Verbraucherzentrale Bundesverband. Werbung werde auch nach dem
Wegfall des Listenprivilegs weiterhin möglich sein. Tausch
sieht mit der Festschreibung des Opt-in-Verfahrens eine jahrelange
Forderung der Verbraucherzentralen umgesetzt. Nun müsse das
Gesetz "zügig" verabschiedet werden.
Auch Dr. Thilo Weichert vom Unabhängigen
Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein sieht nicht
die Gefahr einer weiteren "Wirtschaftskrise" durch das Gesetz.
Vielmehr werde damit die derzeitige herrschende "Vertrauenskrise"
beseitigt.