Wehrbeauftragter Reinhold Robbe im Interview mit "Das Parlament"
Nach Einschätzung des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe, hat das Verteidigungsministerium einiges getan, "um die Ausstattung mit gepanzerten Fahrzeugen und mit persönlicher Schutzausrüstung für die Soldaten in den Auslandseinsätzen zu verbessern“. Im Interview mit der Wochenzeitung "Das Parlament" kritisiert Robbe allerdings, dass es nach wie vor Defizite bei bei der Bereitstellung einer ausreichend großen Anzahl von gepanzerten Fahrzeugen in den Ausbildungsstandorten in Deutschland gebe. Dies seien sehr sensible Bereiche, weil es hier um die Gesundheit und letztlich das Leben der Soldaten gehe, so Robbe, der am 26. März seinen Jahresbericht an Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert übergeben wird.
Die mangelnde Ausrüstung der Bundeswehr mit gepanzerten Fahrzeugen war einer von mehreren Kritikpunkten in Ihrem letzten Jahresbericht. Hat sich die Situation in den vergangenen zwölf Monaten gebessert?
Von Seiten des Verteidigungsministeriums wurden durchaus spürbare Anstrengungen unternommen, um die Ausstattung mit gepanzerten Fahrzeugen und mit persönlicher Schutzausrüstung für die Soldaten in den Auslandseinsätzen zu verbessern. Das sind sehr sensible Bereiche, weil es hier um die Gesundheit und letztlich das Leben der Soldaten geht. Aber Defizite gibt es nach wie vor bei der Bereitstellung einer ausreichend großen Anzahl von gepanzerten Fahrzeugen in den Ausbildungsstandorten in Deutschland, damit die Soldaten auf ihre Einsätze adäquat vorbereitet werden können.
Sie sprechen die Gesundheit der Soldaten an. Gerade in
diesem Bereich scheint es aber Probleme wegen Personalabwanderungen
zu geben: Im Dezember 2008 zitierten sie vor dem Bundestag die
Aussagen von Sanitätssoldaten, die selbst die neuen
Zuschläge für Ärzte als "unüberlegten
Schnellschuss" bezeichnet haben. Jammern die Soldaten zu
viel?
Die Soldaten klagen – und sie klagen aus meiner Sicht zu Recht. Ich sage ganz offen, dass mir der derzeitige Zustand der gesamten Sanität in der Bundeswehr größte Sorgen bereitet. Das hängt in erster Linie mit dem fehlenden Personal zusammen, aber auch mit den Strukturen. Das Personal ist über alle Maßen belastet, weil wegen der dünnen Personaldecke die Sanitätssoldaten immer häufiger in Auslandseinsätze geschickt werden. Das erzeugt Unzufriedenheit. Und durch den Beschluss im vergangenen Jahr, nur bestimmten Sanitätsärzten eine Zulage zu zahlen, ist die Unzufriedenheit nicht geringer geworden. Das gilt auch für den Fliegerischen Dienst. Lediglich die Angehörigen der Flugbereitschaft bekommen diese Zulage. Aber alle anderen Piloten, auch das übrige Flugpersonal im Cockpit, erhalten keine Zulagen und sind entsprechend unzufrieden. Bei mir türmen sich zu diesem Punkt die Eingaben von Soldaten. Hier muss schnell nachgebessert werden.
Sie haben im vergangenen Jahr ein Gesamtpaket von
Maßnahmen gefordert, um den Dienst in der Truppe attraktiver
zu machen. Ist ein solches Paket in Sicht?
Es ist ein bunter Strauß von Notwendigkeiten, die erfüllt werden müssen, um die Bundeswehr insgesamt attraktiver zu machen. Vielen ist offensichtlich nicht bewusst, dass sich die Attraktivität vieler Zivilberufe in den vergangenen Jahren wesentlich verbessert hat. Deshalb wägt heute jeder junge Mensch genau ab, ob er in die Bundeswehr eintritt. Und somit muss die Bundeswehr gewaltige Anstrengungen unternehmen, um mit Blick auf die berufliche Karriere und auf die Vereinbarkeit von Familie und Dienst attraktiver zu werden. Aus meiner Sicht muss die Bundeswehr schneller vorankommen, um für sich in Anspruch nehmen zu können, ein moderner Arbeitgeber zu sein.
Das heißt, Bundestag und Bundesregierung reagieren zu
langsam auf diese Anforderungen?
Hier ist das zuständige Ministerium gefragt. Das beziehe ich nicht nur auf die politische Führung, sondern auch auf die militärische. Wir brauchen eine engere Verzahnung zwischen den Teilstreitkräften, um zu einheitlichen Lösungen zu kommen. Ich habe manchmal den Eindruck, dass innerhalb von Heer, Marine, Luftwaffe und Sanität die Probleme zu isoliert betrachtet werden.
Befürchten Sie, dass die Bundeswehr zu einer Armee der
gesellschaftlichen „Underdogs“ wird, wie dies in
anderen Ländern zu beobachten ist?
Nein, im Augenblick sehe ich diese Gefahr überhaupt nicht. Aber wir müssen erkennen, dass die Bundeswehr einen hohen Anspruch hat. Wir haben bestimmte Standards in der Bundeswehr: etwa bei der Unterbringung, der Verpflegung und den sonstigen Rahmenbedingungen. Und in einigen Bereichen sind diese Standards leider ins Rutschen gekommen. Es müssen jetzt schnell Lösungen gefunden werden, die für die Soldaten überzeugend sind.
Befürchten Sie einen Glaubwürdigkeitsverlust
für Ihr Amt unter den Soldaten, wenn Sie die Probleme zwar
Jahr für Jahr anmahnen, sie aber nicht befriedigend
gelöst werden?
Ich kann keinen Glaubwürdigkeitsverlust in der Truppe feststellen. Ich glaube vielmehr, dass ich bei den Soldaten einen großen Rückhalt habe. Die Soldaten wissen, dass in finanziell schwierigen Zeiten Abstriche von ihren berechtigten Forderungen gemacht werden müssen. Aber die Soldaten wissen auch, dass einige Probleme schneller gelöst werden könnten – und zwar auch ohne zusätzliche Finanzmittel. Zum Beispiel die ausufernde Bürokratie. Auch das beklage ich seit einigen Jahren. Aber ich kann nicht erkennen, dass hier wirkliche Anstrengungen unternommen wurden, um dies zu ändern.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Ich habe vor zwei Jahren durchaus mit Erfolg die Sanierung von Kasernen insbesondere in den alten Bundesländern eingefordert. Aber es reicht nicht aus, dass nur mehr Geld zur Verfügung gestellt wird. Auch die bisherige Art und Weise, wie in der Bundeswehr gebaut und wie Kasernen saniert werden, entspricht nicht den Anforderungen einer modernen Armee. Wir brauchen dringend andere Formen der Zusammenarbeit zwischen Truppe, Wehrverwaltung und staatlicher Bauverwaltung. Das ist nicht die Schuld der Soldaten, das Problem liegt in erster Linie bei der öffentlichen Verwaltung.
Von Seiten der SPD und der Grünen wurde die Forderung
erhoben, den Wehrbeauftragten mit zusätzlichen Rechten
auszustatten. Verfügen Sie nicht über die nötigen
Rechte, um Ihre Arbeit zu machen?
Das kann man pauschal so nicht sagen. Die Grundlagen meiner Arbeit sind direkt vom Grundgesetz abzuleiten und sind in einem Bundesgesetz geregelt. Das gibt mir große Handlungsmöglichkeiten, um die Streitkräfte zu kontrollieren. Aber es gibt Notwendigkeiten, die sich aus dem Umstand ergeben, dass die Bundeswehr eine Einsatzarmee ist, die in allen Teilen der Welt agiert. Und hier stelle ich hin und wieder fest, dass ich hinsichtlich der personellen und strukturellen Ausstattung des Amtes an Grenzen stoße.
Das bedeutet konkret?
Nach meinem Amtsantritt habe ich festgestellt, dass es notwendig ist, den Truppenbesuchen Priorität einzuräumen. Ich habe sie quantitativ ausgeweitet und mache sie in der Regel auch nur noch unangemeldet. Die Vor- und Nachbereitung dieser Besuche erfordert jedoch viel "manpower". Deswegen habe ich zwischenzeitlich ein zusätzliches Referat für die Truppenbesuche und weitere Aufgaben eingerichtet.
Der Grünen-Abgeordnete Winfried Nachtwei mahnte an,
dass die Kontrolle bei geheimen Einsätzen der Bundeswehr
"minimal" sei. Werden Sie nicht ausreichend und rechtzeitig
über solche Einsätze informiert?
Ich werde informiert, wenn ich danach frage. Nach dem Gesetz müssen mir alle Informationen, die ich als relevant betrachte, zugänglich gemacht werden. Aber das muss ich einfordern. Ich kann mir sicherlich auch eine Art Bringpflicht der Regierung vorstellen. Auch das ist ein Punkt, den ich zusammen mit dem Verteidigungsausschuss erörtere.
Dieses Jahr wird das Ehrenmal für die im Einsatz
getöteten Soldaten im Bendlerblock, dem Amtssitz des
Verteidigungsministers in Berlin, eingeweiht. Sind Sie vom
Parlament enttäuscht, dass es sich nicht dezidiert für
einen Standort in Nähe des Reichstages ausgesprochen
hat?
Nicht vom Parlament. Es haben sich ja verschiedene Abgeordnete für einen Standort in Reichstagsnähe ausgesprochen. Und mir gegenüber haben auch die Soldaten ausnahmslos den Wunsch nach einem prominenten Standort in der Nähe des Deutschen Bundestages geäußert.