Bundestag erörterte Weiterentwicklung des Konzepts der Inneren Führung
Das Leitbild ist der Staatbürger in Uniform: Der selbstverantwortliche Soldat, nicht der kritiklose Befehlsempfänger. Seit ihrer Gründung 1955 ist das Prinzip der „Inneren Führung“ die geistige Grundlage der Bundeswehr. Eine Führungskonzeption, die sich bewährt hat, aber vor dem Hintergrund zunehmender Auslandseinsätze und gesellschaftlicher Veränderungen im Umbruch ist, darin sind sich alle Fraktionen einig. Wie jedoch dieser Wandel politisch gestaltet werden soll, dazu haben sie unterschiedliche Positionen. Am Donnerstag, dem 26. März 2009, entschied der Bundestag über drei Anträge zur Weiterentwicklung der Inneren Führung in der Bundeswehr.
Die Innere Führung sei ein „ethischer Kompass“,
der einmalig und auch beispielhaft in seiner Art sei, sagte einmal
Dr. Karl A. Lamers (CDU/CSU), Vorsitzender des Unterausschusses
„Weiterentwicklung der Inneren Führung“. Diesen
hatte der Verteidigungsausschuss 2003 eingesetzt, um zu
untersuchen, inwieweit das Konzept der Inneren Führung vor dem
Hintergrund zunehmender Auslandseinsätze sowie sozialer und
gesellschaftlicher Veränderungen noch zeitgemäß ist
– und ob die Zentrale Dienstvorschrift der Bundeswehr zur
Inneren Führung angepasst werden muss.
Unterausschuss stellte Reformbedarf fest
Als der Unterausschuss im November 2007 dem Verteidigungsausschuss des Bundestages seinen Abschlussbericht vorlegte, lautete das einmütige Fazit: Die Innere Führung hat sich im Kern bewährt, bedürfe jedoch der Weiterentwicklung.
Die „dynamische Komponente“ des Kompasses müsse den neuen Herausforderungen angepasst werden, forderte damals auch der CDU-Abgeordnete Karl A. Lamers. Doch wie diese Weiterentwicklung genau aussehen soll, darüber herrscht Uneinigkeit zwischen Koalition und Opposition.
Innere Führung ist Markenzeichen und
Exportschlager
Die Innere Führung sei das „Markenzeichen“ der Bundeswehr, sagte Bundesverteidigungsminister Dr. Franz Josef Jung (CDU) in der Plenardebatte. „Sie bewährt sich tagtäglich in der Praxis, sie wird gelebt.“ Das erkenne man im Auftreten, im Einsatz und auch im Führungsverhalten der Vorgesetzten, lobte Jung. Insbesondere bei Auslandseinsätzen höre er nur Positives über die Soldaten der Bundeswehr.
So sei die Innere Führung inzwischen auch zu einem
„Exportschlager“ geworden. 20 Nationen hätten
Interesse bekundet, die Prinzipien zu übernehmen, so der
Verteidigungsminister. Trotz dieses Erfolges müsse die Innere
Führung aber weiterentwickelt werden. In dieser Hinsicht habe
die Bundesregierung bereits viel unternommen, betonte Jung. Die
Zentrale Dienstvorschrift sein neu erlassen worden, die politische
Bildung ausgebaut und auch der „lebenskundliche
Unterricht“ für Truppe reformiert worden.
Bundeswehr als Arbeitsplatz attraktiver machen
Das sah die FDP-Abgeordnete Birgit Homburger jedoch anders: „Es gibt noch viel zu tun.“ Insbesondere sei es dringend erforderlich, die Attraktivität der Bundeswehr zu steigern. Die Bundesregierung habe dazu mit dem Dienstrechtsneuordnungsgesetz die Chance gehabt, doch nur „Kleinigkeiten“ verbessert und einiges sogar verschlechtert: Gebietsärzte und Mediziner gingen der Bundeswehr heute „massenhaft von der Fahne“, beklagte Homburger.
Der zivile Arbeitsmarkt sei für sie attraktiver: „Und
das will in Zeiten von Ulla Schmidt was heißen.“ Um den
Beruf des Soldaten weiterhin interessant zu halten, müsse man
die Rahmenbedingungen verbessern, so Homburger. Sie forderte die
Schaffung einer Besoldungsgruppe S, mehr Geld zur Modernisierung
der teilweise maroden Kasernen, aber vor allem mehr
Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, damit Beruf und
Familie auch für Soldaten und Soldatinnen vereinbar
werden.
Politische Bildung weiter ausbauen
Der SPD-Politiker Gerd Höfer lenkte den Blick noch einmal auf die Innere Führung: Sie sei als Konzept „sehr anspruchsvoll“. Überzeugungen könne man schließlich nicht befehlen und überprüfen. Umso wichtiger sei es aber deshalb, die politische Bildung in der Bundeswehr auszubauen. „Menschenrechte und Demokratie müssen gelehrt werden“, so Höfer.
Der Abgeordnete wies aber auch auf „Gefahrenpotenziale“
in der Truppe hin: Wenn bei den Eingaben, die jährlich den
Wehrbeauftragten erreichten, zunehmend die Disziplinarvorgesetzten
umgangen würden, so sei das kein Zeichen für
„gelebte Innere Führung“, sondern ein
Warnsignal.
Rechte des Wehrbeauftragten stärken
Prof. Dr. Hakki Keskin (Die Linke) sagte, seine Fraktion könne zwar dem Konzept der Inneren Führung zustimmen, die faktische Anwendung aber sei problematisch. Der Bericht des Wehrbeauftragten zeige Jahr für Jahr die Defizite, ohne dass daran wirklich etwas verändert werde. Körperliche Misshandlungen wie 2004 in Coesfeld seien zwar nicht die Regel, aber auch kein Einzelfall.
Es brauche dringend mehr Anlaufstellen und Vertrauenspersonen in
der Bundeswehr. Keskin forderte zudem, die Rechte des
Wehrbeauftragten zu stärken. Er müsse
„eigenständig“ Berichte über Reformvorhaben
vom Bundesverteidigungsministerium anfordern und auch unangemeldet
die Truppe besuchen dürfen.
Dialog zwischen Zivilgesellschaft, Politik und Bundeswehr
fördern
Auch Winfried Nachtwei (Bündnis 90/ Die Grünen) lobte das Konzept der Inneren Führung: „Es war die zentrale Lehre aus der Aggressionsgeschichte der Wehrmacht." Heute sei es das „Gütesiegel“ der Bundeswehr. Doch innerhalb der Truppe gebe es Probleme: Die Zahl der anonymen Beschwerden steige. „Offenkundig bröckelt das Vertrauen in die Führung“, sagte Nachtwei.
Als „politisch hoch riskant“ bezeichnete der Grüne
zudem das Auseinanderdriften der Erfahrungswelten zwischen
Militär und Zivilbevölkerung. Die Soldaten erführen
nicht mehr nur „freundliches Desinteresse“, sondern
bekämen immer öfter „die kalte Schulter“
gezeigt: „Sie erleben bei Auslandseinsätzen Schlimmes
und hören dann nur: ‚Warum machst du das
überhaupt?’."
Vor dem Hintergrund zunehmender Kampfhandlungen müsse ehrlich
mit der Realität umgegangen werden: Dazu gehöre
einerseits eine bessere Fürsorge für die Veteranen,
andererseits ein Dialog zwischen Zivilgesellschaft, Bundeswehr und
Politik.
Abstimmung über Anträge zur Inneren Führung
Im Anschluss an die Debatte entschied der Bundestag über Anträge zur Weiterentwicklung der Inneren Führung: Angenommen wurde dabei der Koalitionsantrag ( 16/8378) mit Stimmen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Linksfraktion und bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/ Die Grünen.
Abgelehnt wurden dagegen die Anträge von Bündnis 90/ Die
Grünen (
16/8370) und FDP (
16/8376) mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen und der Linksfraktion gegen die
antragstellenden Fraktionen.