Bundestag beriet über die geplante Förderalismusreform II
Es sei eine „Sternstunde des kooperativen Bundesstaates“, so nannte es der SPD-Bundesfraktionsvorsitzende Peter Struck, nachdem sich die Föderalismuskommission II im Februar darauf geeinigt hatte, eine Schuldenbremse für Bund und Länder künftig verfassungsrechtlich zu verankern. In der ersten Beratung am Freitag, dem 27. März 2009, über die dazu notwendigen Grundgesetzänderungen sowie über einen Entwurf für ein Begleitgesetz zur Föderalismusreform hagelte es aber auch Kritik seitens der Opposition.
Im Mittelpunkt der von der Bundesregierung geplanten
Gesetzesinitiative, die eine Änderung des Grundgesetzes (
16/12410) sowie ein Begleitgesetz zur zweiten
Föderalismusreform umfasst (
16/12400), steht die Einführung einer
gemeinsamen Schuldenregel ab dem Jahr 2011. Haushalte von Bund und
Ländern sollen dann grundsätzlich ohne Einnahmen aus
Krediten ausgeglichen werden. Allerdings sind auch Ausnahmen
eingeschränkt zugelassen.
Neuverschuldungsgrenze und
Konsolidierungshilfen
Dem Bund wird künftig eine jährliche Neuverschuldung in Höhe von maximal 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung erlaubt. In konjunkturell schwachen Phasen sowie in Ausnahmesituationen wie Naturkatastrophen oder einer dramatischen Weltwirtschaftskrise wie momentan darf der Staat jedoch über das Schuldenlimit hinaus Kredite aufnehmen.
Gekoppelt ist dieses Schuldenlimit an zeitlich gestreckte
Konsolidierungshilfen in Höhe von insgesamt 7,2 Milliarden
Euro für fünf finanzschwache Länder, um ihnen von
2020 an die Erstellung von Etats ohne neue Kredite zu
ermöglichen. Die Finanzierung dieser Hilfen tragen Bund und
Länder jeweils zur Hälfte.
Voraussetzung für die Gewährung dieser Unterstützung
ist aber die Einhaltung eines Konsolidierungspfades, der die
betreffenden Länder zum strikten Haushalten zwingt. Nur wenn
die Schuldenregeln eingehalten werden, sollen die Finanzhilfen
fließen.
Konsolidierung der Staatsfinanzen bleibt das
Ziel
Dr. Peter Struck (SPD) bezeichnete als erster Redner der Debatte am Freitag die geplante Begrenzung der Schulden als „großen Schritt nach vorne“. Bund und Länder zeigten damit, dass „der solidarische und kooperative föderale Staat funktioniert und tragfähig ist“ so der SPD-Fraktionschef.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) betonte zudem, die
Schuldenbremse sei ein wichtiges Signal: Es solle zeigen, dass die
Bundesregierung den einmal eingeschlagenen Weg der Konsolidierung
der Staatsfinanzen weitergehen werde. Das sei nicht nur für
die Bürger wichtig, sondern auch für die
Finanzmärkte.
Weitere Schulden würden das Vertrauen der Investoren
erschüttern. Und Deutschland habe auch als EU-Mitglied ein
großes Interesse an der Einhaltung des Stabilitäts- und
Wachstumspaktes: Die Glaubwürdigkeit und Stabilität des
Euro stünde sonst auf dem Spiel, warnte Steinbrück.
Bund-Länder-Finanzbeziehungen grundsätzlich
reformieren
Ernst Burgbacher (FDP) jedoch zeigte sich enttäuscht: „Wir hätten viel mehr erreichen können.“ Doch viele wesendliche Punkte wie die Reform des Bund-Länder-Finanzausgleichs, mehr Steuerautonomie oder auch das Thema der Länderneugliederung seien schon in der Föderalismuskommission ausgeklammert worden.
Burgbacher kritisierte zudem, die geplanten Schuldenregeln machten
für die Länder hohe Auflagen, doch hätten diese kaum
die Chance, ihre eigenen Einnahmen zu beeinflussen. Insgesamt
wertete der FDP-Abgeordnete die Schuldenbremse als ersten Schritt
in die richtige Richtung, doch seien die Pläne zu „wenig
ehrgeizig“. Insbesondere die
Bund-Länder-Finanzbeziehungen bedürften einer
grundsätzlichen Neuordnung, forderte Burgbacher.
Schuldenbremse für arme Länder
„katastrophal“
Dr. Gregor Gysi (Die Linke) kritisierte die geplante Schuldenbegrenzung scharf: Die Bundesregierung „werfe erst den Banken Milliardenbeträge“ nach, dann verordne sie eine Schuldenbremse für die öffentlichen Haushalte. Für finanzschwache Bundesländer wie Bremen oder das Saarland bedeute das eine „Katastrophe“.
Außerdem habe das Beispiel Schweiz gezeigt, dass ein
Schuldenverbot nicht eingehalten werden könne. Gysi
bemängelte auch die Ergebnisse der ersten
Föderalismusreform: „Sie haben den kooperativen
Föderalismus zu einem Ellebogen-Föderalismus
gemacht.“ Ein schwerer Fehler sei es außerdem gewesen,
das Ziel der gemeinsamen Bildungspolitik aufzugeben: „Wir
haben heute 16 verschiedene Bildungssysteme – das ist 19.
Jahrhundert“, monierte Gysi.
Investitionen in Bildung als Schulden
erlauben
Fritz Kuhn (Bündnis 90/ Die Grünen) sprach sich für neue Schuldenregeln aus, denn die Erfahrung habe gezeigt, dass die bisherigen nicht ausreichend gewesen seien. Allerdings müssten sie „intelligenter gemacht“ werden als die Vorschläge der Bundesregierung.
Kuhn kritisierte so etwa, dass die strukturelle Verschuldung
pauschal auf 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung festgelegt werden
solle. Sinnvoller wäre es dagegen, grundsätzlich
Nettoinvestitionen, beispielsweise Investitionen mit einer
positiven Rendite in der Zukunft wie etwa Bildungsausgaben, zu
erlauben, sagte er.
Auch warnte der Fraktionsvorsitzende der Grünen vor den
Folgen, die die Schuldenbremse für manche Kommunen haben
könne. „Die Länder werden den Druck abgeben und die
Gemeinden strangulieren“, sagte Kuhn und forderte
Konsolidierungshilfen auch für verschuldete Kommunen.
„Das politisch Mögliche und Machbare
erreicht“
Günther Oettinger (CDU), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, verteidigte jedoch die Gesetzesvorhaben der Großen Koalition: Angesichts des großen Spannungsbogens und der Gegensätze, die auch die aktuelle Debatte widerspiegele, seien die Ergebnisse der von ihm und Peter Struck geleiteten Föderalismuskommission ein Erfolg. Wenn man Politik begreife als das Machbare und Mögliche begreife, dann sei klar: Die Kommission habe das erreicht.
Doch die Beschlüsse seien ein „sensibles Gebäude“. Oettinger warnte davor, wieder an einzelnen Säulen zu rütteln zu beginnen. Am besten sei es, sie so zu verabschieden.